Willibert Pauels über Humor auch in der Corona-Krise

"Das lehrt die gesunde Religiosität"

Gerade in schwierigen Zeiten ist der Humor eine Stütze für die Menschen. Es sei wichtig, eine Perspektive über den Dingen einzunehmen, so Diakon Willibert Pauels. Die radikalste Perspektive stehe sogar über dem Tod: "das ist Ostern".

Jemanden eine Perspektive geben (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Was da alles in den sozialen Medien hin und hergeschickt wird, ist ja sehr kreativ. Warum versuchen sich die Menschen damit gegenseitig zum Lachen zu bringen, obwohl die Situation ja sehr ernst ist? 

Willibert Pauels (Diakon in der Pfarreiengemeinschaft Oberberg-Mitte und Kaberettist "Ne bergische Jung"): Die Menschen haben ein natürliches Gespür dafür, was in Zeiten der Unsicherheit hilft. Und das war und ist und wird immer der Humor sein. Jemand hat mal gesagt: Humor ist der Rettungsring auf dem Meer der Verzweiflung.

Jetzt haben wir keinen Grund, verzweifelt zu sein. Es sei denn, wir haben Betroffene, die im Sterben liegen. Aber was nach wie vor gilt ist, dass der Humor wirklich ein Rettungsring ist, deshalb explodiert er quasi. Wobei ich auch sagen muss, dass ich auch keine Klopapierwitze mehr hören kann. Aber es ist eine bewundernswerte Kreativität, die auf dieser Rettungschiene des Humors abgeht. 

DOMRADIO.DE: Ängste und Zweifel auf der einen Seite, Humor auf der anderen. Wie passt das zusammen? Darf man Witze machen über ein Virus, durch das viele Menschen sterben werden? 

Willibert: Man muss es sogar. Das ist ja meine Botschaft, die ich unverdrossen immer wieder in die Welt trage. Sowohl von der Bühne in der Kirche – die Altarbühne – die ich zurzeit nicht mehr betreten darf, als auch auf den Bühnen des Karnevals und des Kabaretts. Letztendlich kommt alles auf die Perspektive an. Das ist die Erkenntnis, die vor langer Zeit, als Griechenland noch funktionierte, also vor 2000 Jahren, ein griechischer Philosoph formulierte, Epiktet. Er hat vor 2000 Jahren gesagt, dass letztlich nicht die Dinge entscheidend sind, sondern wie wir die Dinge sehen. Die Perspektive ist das Entscheidende. Wenn wir eine Perspektive einnehmen können, die über den Dingen steht, dann sind wir freie und glückliche Menschen.

Die radikalste Perspektive über den Dingen ist eine Perspektive, die sogar über dem Tod steht. Das ist die, religiös gesprochen, österliche Perspektive. Wir gehen ja auf Ostern zu, ob wir es jetzt mit mehreren in der Kirche feiern oder virtuell, das ist egal. Aber die österliche Perspektive ist die radikalste Perspektive über den Dingen. Ein Geschwisterchen dieser religiösen Perspektive ist der Humor. Der Humor kann eben auch über den Tod lachen kann und sogar muss. Ohne es zu wissen ist er damit ein Bruder der religiösen österlichen Perspektive. Der berühmte Galgenhumor ist sehr wichtig. Denn er entlastet und bringt uns in eine Perspektive, in der sogar der Tod nicht diese verzweifelnde Entsetzlichkeit hat, weil der Tod aus österlicher Perspektive nicht das letzte Wort hat. Deshalb gehört das unbedingt zusammen. 

DOMRADIO.DE: Es gibt Menschen, die das gut schaffen, ihren Humor zu bewahren und auch kein schlechtes Gewissen dabei haben. Es gibt aber auch Menschen, für die ist es ein bisschen schwieriger. Welche Tipps hast du? Wie schaffen Menschen es, ihren Humor zu bewahren, auch in schwierigen Situationen? 

Willibert: Indem man es einfach trainiert. Ich werde jetzt mal ganz tief in die Kiste greifen. Jeder weiß, dass ich schon seit meiner Kindheit an Depressionen gelitten habe. Als ich vor sechs Jahren in die Klinik gegangen bin, sagte mir mein Arzt unter anderem, dass es von der Psyche her gesehen unser Ziel ist, eine Perspektive zu finden, die über den Dingen steht. Allerdings war seine schlechte Nachricht, dass ich das nicht von alleine kann, weil ich eine Veranlagung dazu habe, bei Stress und Belastung eine Perspektive unter den Dingen einzunehmen. Aber die gute Nachricht ist, dass man es trainieren kann und muss. Andere Menschen können einem dabei auch helfen. Außerdem ist eine der besten Trainingsmethoden der Humor, weil er von seiner Natur aus immer über den Dingen ist.

Wenn man das von allein nicht gut kann, sollte man sich Bücher, Filme und auch Menschen annähern – mit denen du noch physisch zusammen sein kannst in dieser Zeit – die einfach Freude ausstrahlen. Dann lernt man Schritt für Schritt eine Perspektive einzunehmen, die über den Dingen steht. Und um es noch einmal zu sagen: Die angenehmste Perspektive, über den Dingen zu stehen, ist das Lachen, ist der Humor. 

DOMRADIO.DE: Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Wie war das noch? 

Willibert: Ja, da gibt es viele Sprüche, und die sind alle wahr. Einer, der uns das gelehrt hat, war in vielen Anekdoten Papst Johannes XXIII. Einer seiner berühmtesten Sätze ist: "Johannes, nimm dich nicht so wichtig". Ich kenne noch einen Satz von ihm, der so wunderbar selbstironisch ist. Er soll einmal gesagt haben: "Herr, seit Äonen wusstest du schon, dass ich einmal Papst werde. Konntest du mich da nicht ein bisschen hübscher machen?".

Das finde ich so großartig. Ja, über den Dingen stehen. Das lehrt der Humor und die gesunde Religiosität.

Das Interview führte Dagmar Peters.


Quelle:
DR