In diesem Jahr ist durch das Coronavirus "alles anders", berichtet Dr. Georg Röwekamp im Interview. Zudem fehlen Spenden für das Heilige Land.
DOMRADIO.DE: Ich treffe auch sie jetzt im Homeoffice an. Was ist heute anders in Jerusalem als sonst an einem Palmsonntag?
Dr. Georg Röwekamp (Leiter des Jerusalem Büros des Deutschen Vereins vom Heiligen Land): Eigentlich ist alles anders. Es ist die ganzen Wochen schon fast gespenstisch ruhig, und das fällt natürlich an so einem Tag wie heute noch mal besonders auf. Da würden sich heute Mittag wirklich Zehntausende oben auf dem Ölberg versammeln, um wie einst vor zweitausend Jahren von Bethphage und Bethanien am Ölberg hinunter zu ziehen, durchs Kidrontal nach Jerusalem, mit echten Palmzweigen in der Hand, singend und tanzend. Das ist wirklich der einzige Tag eigentlich, wo man den Eindruck haben könnte, Jerusalem sei eine ganz christliche Stadt.
Das wird alles heute nicht sein. Es gibt einen Wortgottesdienst heute Nachmittag in der kleinen Kapelle Dominus flevit ("Der Herr weinte") am Hang des Ölbergs. Die erinnert daran, dass Jesus weinte beim Anblick von Jerusalem, als er zum ersten Mal dort hin kam. Dieser Gottesdienst wird dann auch wie überall auf der Welt, per Internet übertragen, denn es wird eine kleine Gruppe rund um den Erzbischof sein, die da feiern kann.
DOMRADIO.DE: Das heißt, die normalen Gläubigen, die haben da auch gar keinen Zutritt?
Röwekamp: Nein, das ist hier fast noch strikter als in anderen Teilen dieser Welt. Alle Gottesdienste mit mehr als 10 Personen sind verboten, und auch die müssen Abstand halten. Selbst die Oster Gottesdienste werden nur aus der Konkathedrale übertragen. Eine kleine Gruppe von Franziskanern wird in der Grabeskirche feiern. Aber da wird niemand live dabei sein können.
DOMRADIO.DE: Aber man kann dabei sein übers Internet und übers Fernsehen?
Röwekamp: Das Christian Mediacenter überträgt über das Internet all diese Feierlichkeiten, auch die Feier – den Wortgottesdienst, die Segnung mit einer Kreuz-Reliquie heute Nachmittag. Aber das ist eben doch nicht das Gleiche, wie physisch diesen Weg nachzugehen, den Jesus damals gegangen ist.
DOMRADIO.DE: Die Situation in Jerusalem ist wahrscheinlich auch ansonsten komplett anders momentan, oder? Hier in Köln erleben wir auch. Die Straßen sind heute wirklich sehr leer gewesen. Aber in Jerusalem, wo sich sonst auch sehr viele Touristen durch die engen Gassen schieben, wird einiges anders sein, nehme ich an.
Röwekamp: Ja, es ist wirklich so. Wir haben hier quasi eine Ausgangssperre. Außer zum Einkaufen darf man sich höchstens hundert Meter vom eigenen Haus entfernen. Und diese Einschränkungen kennen natürlich die Menschen weltweit auch. Hier kommt noch hinzu: Alle, die im Geschäft mit den Touristen, mit den Pilgern arbeiten, in den Gästehäusern, in den Souvenirshops, die haben überhaupt keine Einnahmen mehr, seit Wochen schon, die leben davon.
Und leider ist die soziale Absicherung gerade in den palästinensischen Gebieten längst nicht so gut wie andernorts. Die haben keine Rücklagen, und da fürchten wir, wenn das noch länger andauert, dass da sehr große Not entstehen wird. Hinzu kommt: All die verschiedenen Hilfsprojekte, die auch wir als Verein betreuen, sind auf Spenden angewiesen – und die entfallen diesmal auch, weil eben keine Gottesdienste und damit keine Kollekten stattfinden.
DOMRADIO.DE: Wie sind die Aussichten für die Osterfeierlichkeiten? Wird man Ostern in Jerusalem so feiern können wie sonst?
Röwekamp: Nein. Die Beschränkungen für die Gottesdienste sind schon bis nach Ostern, bis nach Pessach, das ist ja das jüdische Fest, das in diesem Jahr wieder auch in dieser Woche gefeiert wird. Bis danach sind die Beschränkungen verlängert. Von daher wird es ein sehr, sehr stilles Osterfest werden, mit einem sehr verhaltenen Halleluja.
DOMRADIO.DE: Traditionell wird in den deutschen Kirchen ja an Palmsonntag eine Kollekte für die Einrichtungen und Projekte des Heiligland-Vereins gesammelt. Das geht jetzt nicht. Es gibt keine öffentlichen Gottesdienste, werden auch hier in Deutschland nur übers Internet oder übers Fernsehen übertragen. Was bedeutet das jetzt für Ihre Arbeit?
Röwekamp: Wir sind auf Spenden angewiesen, vor allen Dingen für die verschiedenen Hilfsprojekte, die wir mithilfe der Gelder aus der Palmsonntagskollekte finanzieren. Das fängt an bei unserer Schule, wo wir fürchten, dass die Menschen demnächst kein Schulgeld mehr zahlen können. Das geht über unsere Altenheime, über unsere Krankenpflegeschule bis hin zu verschiedenen Dialog-Projekten.
Überall da sind wir auf Spenden angewiesen. Wenn es uns nicht gelingt, dass die Menschen dieses Jahr ausnahmsweise nicht im Klingelbeutel, sondern online per Überweisung spenden, dann wären alle diese Projekte bedroht. Das wäre für die kleine Minderheit der Christen, die hier im Land ist, einfach eine Katastrophe. Von daher hoffen wir, dass uns das gelingt, die Menschen zu mobilisieren.
DOMRADIO.DE: Gibt es denn hier und da auch so ein kleines Hoffnungszeichen?
Röwekamp: Wir spüren sehr, dass die Leute gerade in diesen Tagen mit dem Heiligen Land verbunden sind, das ihre Gedanken dahin gehen. Da gibt es Leute, die uns anrufen und sagen: "Mensch, ich habe schon in meiner Umgebung Geld gesammelt. Ich will das jetzt überweisen, damit eure Arbeit weitergehen kann."
Das ist wirklich bewegend zu sehen wie die Menschen – vielleicht, weil sie mal hier gewesen sind –, mit dem Land verbunden sind, auch die schwierige Situation der Christen bemerkt haben und uns dann unterstützen. Aber in diesem Fall sage ich tatsächlich mal: Nur das daran denken, hilft nicht!
Anmerkung: Hier kann man die Arbeit des Vereins mit einer Spende unterstützen unter www.palmsonntagskollekte.de