Die Liturgien in der Grabeskirche finden hinter geschlossenen Türen statt. Die Geburtskirche liegt im Sperrgebiet. Heilige Stätten landesweit sind zu, die biblische Welt für Pilger in der vorösterlichen Hochsaison unerreichbar. Das Coronavirus hat auch vor dem Heiligen Land nicht Halt gemacht.
Dass es die Präsenz der Christen an der nahöstlichen Wiege des Christentums gefährden und damit möglicherweise verheerendere Folgen haben könnte als islamistische Kräfte wie die Terrorgruppe IS, halten Kirchenvertreter in der Region jedoch für unbegründet.
Fehlende Pilger
Viele Nahostchristen leben vom Tourismus. Leere Hotels und Gästehäuser, fehlende Pilger und die auf September verschobene Karwochen-Kollekte bringen christliche Einrichtungen unter Druck. In Zeiten wachsender Not seien sinkende Einnahmen fatal, heißt es in einem Aufruf des "Deutschen Vereins vom Heiligen Lande" (DVHL), die Arbeit für Christen in Israel und Palästina durch Spenden zu unterstützen.
Der Leiter des Jerusalemer DVHL-Büros, Georg Röwekamp, beansprucht aber keine exklusive Opferrolle für Christen: "Der Virus trifft alle gleichermaßen, ebenso die wirtschaftlichen und sozialen Folgen", sagte er auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Eine verstärkte Abwanderung von Christen aus Nahost hält Diakon Firas Abedrabbo, persönlicher Sekretär von Patriarchatsleiter Erzbischof Pierbattista Pizzaballa, schon aus praktischen Gründen für unwahrscheinlich. "Das Virus", so der palästinensische Christ, "ist überall! Wo ist es derzeit schon besser, in Europa oder Amerika?"
"Gott wird helfen"
Als Gläubiger müsse man "immer an die Lektion der Hoffnung erinnern, die wir in der Geschichte des erwählten Volkes lesen", ist Kustos Francesco Patton überzeugt. Gott habe seinem Volk, dem Volk Israel, immer wieder Freiheit geschenkt und es zurück ins Heilige Land gebracht, für einen neuen Anfang.
"Im Alten Testament lesen wir, dass wenn die Wurzel bleibt, Gott die Wurzel wieder wachsen lässt. Wir machen dieselbe Erfahrung", so der italienische Franziskanerpater. Die Zahl der Christen könne sinken, "aber die christliche Präsenz wird fortbestehen, und nach dieser Zeit des Leidens, der Prüfung und in vielen Fällen des Todes wird Gott unserer Gemeinschaft helfen, wieder zu wachsen".
Hoffnung und Solidarität
Neben Hoffnung lautet das zweite Stichwort der Christen in diesen Zeiten: Solidarität! In der syrischen Bevölkerung sei diese Solidarität sichtbar, berichtete die in Aleppo lebende Ordensfrau Brygida Maniurka in einem Bericht an das Hilfswerk "Initiative Christlicher Orient" (ICO).
In Syrien wie auch in Gaza ist das Virus angekommen. Dramatische Einschränkungen wie Ausgangssperren wögen schwer für die Bevölkerung, berichtet auch die syrische Ordensfrau Annie Demerjian, Superiorin der "Kongregation von Jesus und Maria" für den Nahen Osten, in einem Beitrag für das Hilfswerk "Kirche in Not".
In Aleppo und Damaskus besuchten die Freiwillige des Ordens weiterhin die Häuser. "Wir helfen insbesondere den alten Menschen, da viele von ihnen keine andere Unterstützung haben".
Regeln der Solidarität
In Zeiten einer Pandemie müssten "die Regeln der Solidarität herrschen", fordert Kustos Patton. Die Verantwortung dafür trügen besonders die mächtigen Länder. Die Kirche ihrerseits könne durch pastorale und soziale Strukturen helfen.
Doch gerade Syrien könnte das Virus "den größten Schlag" versetzen. Zehn Jahre Krieg und ein internationales Wirtschaftsembargo haben das Gesundheitssystem des Landes in eine schwierige Lage gebracht. "Deshalb sollte das Embargo aufgehoben werden, denn es trifft besonders die Armen."
Im Heiligen Land ist man krisenerprobt
So sehr das Virus auch das Leben in der Region trifft: Im Heiligen Land ist man krisenerprobt, erinnert Röwekamp gegenüber KNA an die nahöstliche Lebenserfahrung. Pilgerzahlen hingen immer schon von der geopolitischen Lage in der konfliktreichen Region ab.
Während des Golfkriegs etwa oder der Intifadas seien Touristen ausgeblieben. Die letzten Jahre hingegen erbrachten immer neue Besucherrekorde. Kustos Patton bleibt zuversichtlich: "Ich bin zuallererst ein Gläubiger. Deshalb glaube ich nicht, dass das Virus schaffen kann, was IS, Krieg und Wirtschaftskrise nicht geschafft haben."