Juan Fernandez (Name geändert) sagt, er sei eigentlich ein selbstbewusster Mensch. Aber lange hat er das, was ihm passiert ist, keinem erzählt. "Weil ein Mann stark zu sein hat." Seit einem Monat lebt er in einer Schutzwohnung der Nürnberger Caritas für männliche Opfer häuslicher Gewalt, der ersten dieser Art in Bayern. "Ich habe die Hölle erlebt", erzählt er am Telefon.
Schreie, Beleidigungen, Ohrfeigen. Seine Partnerin hat ihn im Streit gekratzt, gebissen, mit dem Aschenbecher und dem Wäschekorb nach ihm geworfen. Drei Jahre ging das so. Juan Fernandez aber biss die Zähne zusammen, er wollte unbedingt seine Ausbildung schaffen. Als die Situation immer weiter eskalierte, rief die Täterin die Polizei und gab ihrerseits an, von ihm bedroht zu werden. So flog er aus der gemeinsamen Wohnung.
«Ich habe den Beamten meine Hämatome gezeigt», berichtet der Spanier. Aber als vermeintlicher Macho aus Südeuropa fand er bei den Ordnungshütern keinen Glauben. "Wie kann es sein, dass Täterinnen geschützt werden, aber das Opfer wie weggeschmissen auf der Straße landet?", empört sich der 40-Jährige.
"Riposo" war die Rettung
Juan Fernandez hat in seinem Auto geschlafen, in einer Werkstatt, bei Bekannten. Ein Freund brachte ihn für kurze Zeit in einer Pension unter. Aber erst, als eine Freundin ihm von "Riposo" erzählte, "war das die Rettung", wie er sagt. "Riposo" ist italienisch. Es heißt
"zur Ruhe kommen" und ist der Name der neuen Caritas-Männerschutzwohnung in der Frankenmetropole.
Im Dezember ging das vom Freistaat mit 125.000 Euro geförderte Angebot in Betrieb, ein weiteres gibt es seit kurzem in Augsburg. Für zehn Prozent der Kosten muss die Nürnberger Caritas selbst aufkommen. Drei Männer und drei Kinder finden dort bis zu sechs Monate Zuflucht, notfalls auch länger. Im März kam der erste, seither waren stets alle Plätze besetzt. Die Anfragen häufen sich. Deshalb hat die Caritas beantragt, die Kapazitäten zu erweitern. "Die Wohnung ist groß genug für fünf Männer", sagt Projektleiterin Petra Zöttlein, die auch ein Frauenhaus leitet.
"Ich habe noch nie gelesen, dass ein Mann sagt, ich bin ein Opfer geworden"
Dass nicht nur Frauen und Kinder zuhause seelischer, physischer oder ökonomischer Gewalt ausgesetzt sind, fand bisher kaum gesellschaftliche Beachtung. "Ich habe noch nie in der Zeitung gelesen, dass ein Mann sagt, ich bin ein Opfer geworden", sagt Herr
Fernandez. "Und ich lese viel Zeitung", schiebt er hinterher. Auf ein Fünftel wird der Männeranteil unter den Opfern häuslicher und sexualisierter Gewalt geschätzt. Genaue Daten fehlen.
Das "starke Geschlecht" gilt zwar gemeinhin als körperlich überlegen, doch das heißt im Einzelfall nicht, dass es sich immer wehren kann. "Ich habe schon mitbekommen, wie eine Frau ihrem Partner eine Kristallvase über den Kopf gezogen hat", sagt Projektleiterin
Zöttlein.
"Man verliert alles"
Juan Fernandez vermisst seine Sachen - Familienfotos, Dokumente und wertvolles Werkzeug -, doch er kann sie nicht einfach aus seiner bisherigen Wohnung holen. Er war zwar sieben Jahre unter der Adresse gemeldet, steht aber nicht im Mietvertrag. "Man verliert alles, nur weil der Frau geglaubt wird." Das müsse sich ändern, findet er. "Ich bin für Gleichbehandlung."
Dafür müssten sich auch mehr Männer trauen, auszusprechen, was ihnen widerfahren ist, ihre Scham überwinden. Bei "Riposo" hat Herr Fernandez Leidensgenossen kennengelernt. "Die hatten alle dasselbe Problem." Nicht nur die Gespräche mit den Sozialpädagogen der
Caritas, sondern auch mit seinen WG-Mitbewohnern haben ihm geholfen. "Ich tue mir jetzt leichter, darüber zu reden." Dass Frauen auch Täterinnen sein können.