Napoleon nannte sie spöttisch-bewundernd den "schönsten Pfarrhof Europas", andere sprachen vom "Schloss über den Schlössern", für Würzburg ist die Residenz ein Touristenmagnet. Der imposante Barockbau am Rande der Würzburger Altstadt zählt zum festen Programmpunkt vieler Passagiere von Flusskreuzfahrten und Bustouren auf der Romantischen Straße.
Möglich ist das nur, weil im 18. Jahrhundert der Würzburger Fürstbischof Johann Philipp Franz von Schönborn Baumeister Balthasar Neumann beauftragte, ein neues Stadtschloss zu bauen. Am 22. Mai vor genau 300 Jahren wurde der Grundstein zu einem der glanzvollsten Fürstenhöfe Europas gelegt.
Feier durch Pandemie nicht möglich
Gefeiert werden kann der Anlass nicht wirklich - die Pandemie macht den Planungen der Bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung einen Strich durch die Rechnung. Doch immerhin fast pünktlich am 30. Mai soll die Residenz wieder ihre Tore für Besucher öffnen. Die Beschäftigten haben die mehr als zweimonatige Schließung zum umfassenden Frühjahrsputz genutzt, vor allem in den 40 Prunkräumen des Baus mit insgesamt weit mehr als 300 Zimmern.
Architektonisch kann sich die Residenz mit Versailles und Schloss Schönbrunn in Wien messen. Man betritt den viergeschossigen Bau über das Vestibül, den bescheidenen Vorraum zum eigentlichen Hauptsaal der Residenz: dem dreiläufigen Treppenhaus mit seinem berühmten Deckenfresko von Giovanni Battista Tiepolo. Zusammen mit dem folgenden Weißen Saal und dem Kaisersaal, ebenfalls vom Italiener gestaltet, bildet es eine unvergleichliche Raumfolge.
Größtes zusammenhängendes Deckengemälde der Welt
Mit 677 Quadratmetern gilt Tiepolos Werk als das größte zusammenhängende Deckengemälde der Welt. Seine Betrachtung verlangt der Halsmuskulatur einiges ab. Dargestellt sind die im 18. Jahrhundert vier bekannten Erdteile Europa, Asien, Afrika und Amerika. Dazu kommen bedeutende Porträts, einmal der Auftraggeber Fürstbischof Carl Philipp von Greiffenclau, der Stuckateur Antonio Giuseppe Bossi, der ebenfalls an der Gestaltung der Residenz mitwirkte, Tiepolo selbst und Baumeister Neumann, der später samt Residenz den 50-D-Mark-Schein zieren sollte. Über allen schwebt Apoll, der Schutzgott der Künste.
Doch nicht nur der Kunst wegen ist das Treppenhaus der Hauptsaal der Residenz. Es ist auch der steinerne Beweis für Balthasar Neumanns Baukunst. Das statisch gewagte Konstrukt ließ Konkurrenten schon zur Entstehungszeit zweifeln. Neumann, selbst gelernter Festungsingenieur, bot zum Beweis an, Kanonen unterm Plafond abzufeuern. Damals konnte er nicht ahnen, dass dies einmal nahezu Realität werden sollte.
Am 16. März 1945 flogen mehr als 200 alliierte Bomber einen Angriff auf Würzburg, zerstörten etwa 90 Prozent der Altstadt. Auch die Residenz wurde schwer beschädigt, doch das Gewölbe Neumanns über den Hauptsälen hielt den brennenden Dachbalken stand. Der "Monument Man" John D. Skilton sorgte dann im Sommer 1945 dafür, dass trotz der Nachkriegsnot ausreichend Material herbeigeschafft wurde, um das Bauwerk vor Regen zu schützen.
Weltkulturerbe
Damit legte der amerikanische Kunstoffizier, der später das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse bekam, den Grundstein zum Wiederaufbau des Barockschlosses. Dieser wurde 1987 mit dem aufwendig rekonstruierten Spiegelkabinett abgeschlossen. Die Kosten beliefen sich auf geschätzte 20 Millionen Euro. Schon einige Jahre zuvor, 1981, wurde auch diese Leistung mit dem Titel "Unesco-Weltkulturerbe" gewürdigt, den die Residenz samt Hofgarten als erster Bau in Bayern erhielt.
Heute besichtigen mehr als 300.000 Menschen pro Jahr Neumanns geniales Werk, das auch schon als Filmkulisse gedient hat. Im September 2010 wurden Szenen für den 3-D-Streifen "Die drei Musketiere" mit Orlando Bloom und Milla Jovovich hier gedreht.
Nach dem Mauerfall parkten Trabbis auf dem Residenzplatz. Und auch aus älteren Zeiten gibt es reichlich Anekdoten. So erlitt Napoleon hier 1806 einen Wutanfall. Bei einem Besuch in dem Prachtbau erfuhr er von einem preußisches Ultimatum, das ihn zwingen sollte, seine Truppen hinter den Rhein zurückzuziehen.