Die Ende April vorgelegte Vereinbarung zwischen den Bischöfen und dem Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung gehe auf zahlreiche Forderungen der Missbrauchsopfer nicht ein, erklärte der sogenannte Betroffenenbeirat des Erzbistums Köln am Montag. Das Gremium, dem zwölf Missbrauchsopfer angehören, ist in die Präventionsarbeit der Erzdiözese eingebunden.
"Gewaltiges Mitspracherecht" der Kirche
Zwar begrüßt der Beirat in der vom Erzbistum verbreiteten Erklärung, dass es eine Vereinbarung gibt. Danach sollen in den 27 Diözesen unabhängige Kommissionen den Missbrauch nach einheitlichen Kriterien aufarbeiten und dabei neben Bistumsvertretern, Experten aus Wissenschaft, Fachpraxis, Justiz und Verwaltung auch Betroffene mitwirken.
Nach Ansicht des Betroffenen-Gremiums hat sich die Kirche zwar allem Anschein nach der Kontrolle durch den Missbrauchsbeauftragten unterworfen, bekomme aber gerade dadurch "amtlich ein gewaltiges Mitspracherecht eingeräumt". Dies gelte umso mehr, als die Bistümer die Kommissionsmitglieder beriefen.
27 verschiedene Kommissionen zuständig
Weiter bemängelt der Beirat, dass es auch künftig keine zentrale Aufarbeitungskommission gibt, sondern 27 verschiedene Kommissionen. Es sei noch nicht einmal garantiert, dass alle Bistümer mitmachten.
Die Entscheidungsgewalt für den Aufarbeitungsprozess bleibe bei jedem Bischof. Zudem werde Betroffenen ein Recht auf Akteneinsicht nicht ausdrücklich zugesprochen.
"Entsetzen" über Zeitplan
Moniert wird zudem, dass in dem Papier Orden "mit ihren zahllosen Tatorten" in Internaten, Heimen und Schulen nicht einbezogen seien. "Entsetzt" zeigt sich der Beirat über den vorgeschlagenen Zeitplan der Aufarbeitung: "10 Jahre nach dem Missbrauchstsunami von 2010 sollen weitere 5 Jahre vergehen, bis Ergebnisse vorliegen."
Viele Betroffene seien im fortgeschrittenen Alter und hätten keine Zeit zu verlieren. Der Betroffenenbeirat fordert von den Bistümern Transparenz bei der Auswahl der Kommissionsmitglieder, erste Ergebnisse spätestens nach zwei Jahren und den Beitritt der Orden zu der Vereinbarung.
Verlangt werden auch "Entschädigungen im mittleren sechsstelligen Euro-Bereich für lebenslange Missbrauchsfolgen". Die katholische Kirche hatte seit 2011 Missbrauchsopfern in der Regel einen Pauschalbetrag von 5.000 Euro "in Anerkennung des erlittenen Leids" gegeben. Nach einem im März 2020 vorgelegten Modell sollen entsprechend der zivilrechtlichen Schmerzensgeld-Tabelle Summen zwischen 5.000 und 50.000 Euro pro Fall gezahlt werden.