Was das Missbrauchsaufarbeitungsprojekt im Bistum Limburg bedeutet

Maßgebend für andere Bistümer?

Am Samstag wurde der Abschlussbericht des Projekts "Betroffene hören – Missbrauch verhindern" für das Bistum Limburg vorgestellt. Wie wird das Vorgehen eingeschätzt und welche Signale gehen davon an andere Bistümer aus?

Autor/in:
Michelle Olion
Symbolbild Missbrauch in der katholischen Kirche / © Artur Szczybylo (shutterstock)
Symbolbild Missbrauch in der katholischen Kirche / © Artur Szczybylo ( shutterstock )

Knapp ein Jahr, 70 Experten und ein abschließender Bericht von 420 Seiten: Dies soll laut dem Motto der Veranstaltung in der Paulskirche "Der Beginn von Ehrlichkeit" sein. In dem abschließenden Projektbericht werden beispielsweise eine Fachstelle für sexualisierte Gewalt und eine Beschwerdestelle für Betroffene vorgeschlagen, um künftig sexuelle Übergriffe und Missbrauch im Bistum Limburg zu verhindern.

Insgesamt umfasst der Katalog mehr als 60 Maßnahmen. Klarnamen von Tätern werden aus Gründen des Persönlichkeitsrechts nicht genannt. Der Limburger Bischof Georg Bätzing, der das Projekt gemeinsam mit der Präsidentin der Limburger Diözesanversammlung, Ingeborg Schillai, in Auftrag gegeben hat, spricht in einem offiziellen Statement des Bistums Limburg deutliche Worte für die Zukunft: "Wir werden die Maßnahmen umsetzen." Denn der Abschluss des Projekts ist nicht genug. "Es ist nicht beendet, wir fangen jetzt an", so Bätzing.

Keine Aufklärungsarbeit ohne Betroffenenbeteiligung

Ob das Projektziel, sexuellen Missbrauch in Zukunft zu verhindern, erreicht werden kann, sei nicht von dem Bericht, sondern von der Umsetzung der Maßnahmen abhängig, sagt Karl Haucke, Sprecher des Betroffenenbeirats im Erzbistum Köln. "Das werden wir erst noch erleben."

Die wichtigste Erfahrung aus dem Abschlussbericht sei für ihn, dass Aufklärung und Aufarbeitung nur "mit maßgeblicher Beteiligung von außen" funktioniere, so Haucke. "Ohne Betroffenenbeteiligung funktioniert das nicht." Es fehle aber an einem kompetenten und unabhängigen Beratungssystem für betroffene Erwachsene. Zwar seien Fachberatungsstellen oft auf die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen vorbereitet. Auf erwachsene Opfer seien diese Einrichtungen aber nicht eingestellt.

Selbstverständlichkeiten unter den Forderungen

Der Abschlussbericht umfasst 61 konkrete Maßnahmen gegen sexuellen Missbrauch. "Das sind eindeutig wichtige Forderungen, die, wenn sie beachtet werden, das System Bistum Limburg verändern können", sagt Karl Haucke.

Aber es seien ebenso auch etliche Selbstverständlichkeiten dabei, die in jedem Qualitätsmanagement eines Unternehmens schon lange verankert seien, beispielsweise die Einrichtung von Beschwerde- oder Clearingstellen. Aber, so Haucke weiter, "ehrlich gesagt müssen wir heute froh sein, wenn sich die Kirche solche Dinge ins Pflichtenheft schreibt."

Wichtiger Schritt für Betroffene

Oliver Vogt, der Leiter des Instituts für Prävention und Aufarbeitung (IPA) sexualisierter Gewalt, begrüßt den Katalog an Forderungen. "Das ist etwas, was wir in Reihen der katholischen Kirche, aber auch in anderen gesellschaftlichen Gruppierungen, in diesem Umfang meiner Kenntnis nach noch nicht hatten." Es seien viele Zusammenhänge beleuchtet worden.

Für die Betroffenen im Bistum Limburg sei das Projekt ein wichtiger Schritt. "Sie haben hier eine Chance, gehört zu werden, ihre Anliegen einzubringen aber auch an anstehenden Gestaltungen und Fragestellungen mitzuwirken", so Vogt. Bei dem weiteren Vorgehen sei die Orientierung an den Wünschen von Betroffenen außerdem die oberste Prämisse.

Studie in Köln noch nicht veröffentlicht

Für Vogt setzt der Projektbericht auch Maßstäbe für andere Bistümer. Im Erzbistum Köln wurde die Publikation einer ähnlichen Studie im März hingegen zurückgestellt. Damals gab es rechtliche Bedenken, dass durch eine Veröffentlichung Rückschlüsse auf die Identität von Personalverantwortlichen gezogen werden könnten.

Zwar hat der Betroffenenbeirat Köln seit der Veröffentlichung des Berichts noch nicht getagt, aber als persönlich Betroffener sagt Sprecher Karl Haucke, dass es für "Betroffene im Zusammenhang mit der Zurückstellung der Kölner Studie wichtig ist, dass wir Klarnamennennung sehen wollen." Die öffentliche Nennung von Tätern und Personalverantwortlichen konnte in Limburg aus juristischen Gründen nicht erfolgen.

Signal für andere Diözesen

Die Nennung habe jedoch eine wichtige Signalfunktion, die auch präventiv auf die "aktiv sexuelle Gewalt Ausübenden" wirke. Außerdem mache die Nennung von Klarnamen in der Politik eines Bistums deutlich, dass Täter sich nicht automatisch auf die Bevorzugung ihrer Persönlichkeitsrechte verlassen können, so Haucke.

Oliver Vogt macht deutlich, dass sich nach dem Projekt in Limburg nun auch andere Bistümer den Herausforderungen von solchen Untersuchungen stellen müssen. "Es ist dringend geraten, dass andere Diözesen nachziehen und im Erzbistum Köln zeitnah der angekündigte Bericht veröffentlicht wird". Die Zusage, die gegeben wurde und für die Betroffenen sehr wichtig sei, müsse eingehalten werden. "Da führt für mich kein Weg dran vorbei", so Vogt.


Bischof Georg Bätzing / © Gottfried Bohl (KNA)
Bischof Georg Bätzing / © Gottfried Bohl ( KNA )

Oliver Vogt, Leiter des Instituts für Prävention und Aufarbeitung (IPA) von sexualisierter Gewalt / © Julia Steinbrecht (KNA)
Oliver Vogt, Leiter des Instituts für Prävention und Aufarbeitung (IPA) von sexualisierter Gewalt / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Karl Haucke (l.) tritt als zweiter Sprecher des Betroffenenbeirats zurück / ©  Julia Steinbrecht (KNA)
Karl Haucke (l.) tritt als zweiter Sprecher des Betroffenenbeirats zurück / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
DR