DOMRADIO.DE: Wer ist denn Erzbischof Franz Lackner? Eher ein liberaler oder ein konservativer Bischof?
Mag. Christoph Wellner (Chefredakteur von Radio Stephansdom): Erzbischof Lackner ist ein Franziskaner und trägt eine große franziskanische Spiritualität in seinem Wirken als Bischof. Das heißt, man kann ihn hier schwer in liberal oder konservativ einordnen. Ich finde, die Franziskaner haben ihre eigene Spiritualität. Und das prägt auch sein bisheriges bischöfliches Wirken, das immerhin auch schon seit 2002 währt.
DOMRADIO.DE: Franz Lackner ist auf alle Fälle ein Spätberufener. Er hat zunächst eine Lehre als Elektriker gemacht und war dann UNO-Soldat in Zypern. Er kennt also das Leben auch abseits der Kirche ganz gut. Hat ihn das auch geprägt?
Wellner: Das denke ich. Es ist immerhin ja auch überliefert, dass während seines UNO-Einsatzes in Zypern Ende der 70er Jahr die Entscheidung in ihm gereift ist, Priester zu werden. Er ist dann 1984 in den Franziskanerorden eingetreten und hat dort auch den Namen des Ordensgründers angenommen.
Das ist auch ein ganz starkes Zeichen, denn Franz Lackner wurde als Anton Lackner geboren. Er hat Theologie studiert, hat in Rom dann auch Metaphysik studiert und wurde dann 2002 zum Weihbischof, damals in der Steiermark, in Graz-Seckau, berufen.
DOMRADIO.DE: Als Franziskaner ist ihm der Einsatz für die Armen und Verfolgten wichtig. Das Thema liegt ihm besonders am Herzen, das wurde schon deutlich. So hat er sich in der Vergangenheit nämlich auch schon klar in Sachen Flüchtlingsaufnahme in Österreich positioniert.
Wellner: Richtig, das ist ja auch ein Punkt, bei dem die katholische Kirche insgesamt in Österreich ja doch eine prononcierte Stellung eingenommen hat.
DOMRADIO.DE: In ihrem Bischofsschreiben zum Pfingstfest haben sich die österreichischen Bischöfe klar gegen die restriktive Flüchtlingspolitik von Kanzler Kurz ausgesprochen. Da dürfte der neue Vorsitzende der Bischofskonferenz sicher gleich weitermachen. Ist das zu erwarten?
Wellner: Ich denke mir, dass es in diese Richtung weitergehen wird. Wobei ich jetzt ohne den neuen Vorsitzenden der Bischofskonferenz in irgendeiner Weise schmälern zu wollen, schon sagen muss, dass die Bischofskonferenz ja ein Gremium ist, das relativ wenige Eigenkompetenzen hat. Das ist ein Beratungsorgan, wo sich die Bischöfe treffen, aber selbstverständlich achtet man auf das Wort des Vorsitzenden der Bischofskonferenz, und das ist, wie es aussieht, für die nächsten sechs Jahre der Salzburger Erzbischof.
DOMRADIO.DE: Ein ganz anderes Thema, das die österreichische Kirche beschäftigt, ist die Krise rund um den Missbrauchsskandal. Das hat die Kirche in Österreich schon tief erschüttert. Da kommt einiges auf den neuen Vorsitzenden der Bischofskonferenz zu. Welchen Herausforderungen muss er sich da stellen?
Wellner: Ich glaube behaupten zu dürfen, dass die Herausforderungen eigentlich im weitesten Sinne schon erledigt sind. Wir haben mit dem Wiener Erzbischof, mit Christoph Kardinal Schönborn jemanden gehabt, der ganz offensiv auf diese Dinge zugegangen ist und der auch nicht nur außerhalb der Kirche, sondern auch innerhalb der Kirche damit für viel Verwunderung gesorgt hat, weil das ein Zug war, den man bis dahin nicht von der katholischen Kirche gekannt hat.
Das heißt, es ist sehr viel in den letzten Jahren/Jahrzehnten hier passiert, und man kann hier davon ausgehen, dass Erzbischof Lackner schon auf bestelltem Feld weiterarbeiten kann. Ich denke, dass wir in Österreich bei einem so schrecklichen Thema relativ gut vorgearbeitet haben.
DOMRADIO.DE: Ist es genau das, was Kardinal Schönborn nach 22 Jahren Vorsitz der österreichischen Bischofskonferenz hinterlassen hat? Steht das am Ende dieser Ära?
Wellner: Ich würde es so nicht zusammenfassen, aber es ist auf jeden Fall ein ganz entscheidender Punkt: diese Herangehensweise, das offene Zugehen auf diese Probleme, auf diese Verbrechen. Und es wurde ja auch so thematisiert. Die Wellen sind ja damals bis in den Vatikan geschlagen, als Kardinal Schönborn so offen auf diese Dinge zugegangen ist. Und auch der damalige Einsatz seiner eigenen Kommission, die nicht kirchlich besetzt war, zumindest nicht kirchlich geleitet wurde, war ja doch etwas, was man in Österreich in dieser Form nicht gekannt hat.
Ich darf hier ganz kurz, ohne zu weit auszuholen, daran erinnern, dass ja auch die Karriere von Kardinal Schönborn in genau so eine Zeit hineingekommen ist und er als Nachfolger von Erzbischof Groer hier ein enorm schweres Erbe antreten musste.