Auch sollten die "Untiefen des Hasses" offengelegt werden, in denen sich der Mann im Internet habe radikalisieren können, so die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in der "Rhein-Neckar-Zeitung" (Dienstag).
Knobloch forderte mehr Demokratiebildung in den Schulen und in den Kindergärten. Sie begrüßte jüngste Gesetzesverschärfungen gegen Hass im Internet. Dennoch gab sie zu bedenken: "Viele Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft haben inzwischen das Gefühl, auf verlorenem Posten zu stehen, und ehrlich gesagt kann ich sie verstehen", erklärte Knobloch. "Ein jüdischer Mensch, der in der Stadt als solcher zu erkennen ist, lebt immer noch gefährlich."
Während Extremisten die Redefreiheit missbrauchten, um Hass zu verbreiten, sei der Staat machtlos, so Knobloch. Mit jedem Vorfall schwinde das Vertrauen in den jüdischen Gemeinden. "Es müssten jetzt deutlich sichtbare Zeichen gegen Antisemitismus geben von einer Gesellschaft, die versteht, dass sie selbst mit bedroht ist. Das sehen wir aber noch viel zu selten."
Zentralrat der Juden fordert Lückenlose Aufklärung des Halle-Attentats
Zum Auftakt des Prozesses gegen den mutmaßlichen Attentäter von Halle hat der Zentralrat der Juden in Deutschland eine lückenlose Aufklärung der Tathintergründe gefordert. "Der Anschlag von Halle macht deutlich: Mit den wiederkehrenden Tabubrüchen von rechtspopulistischen bis hin zu rechtsextremen öffentlichen Äußerungen ist erschreckenderweise auch die Hemmschwelle für Gewalt abgesunken", erklärte Zentralratspräsident Josef Schuster am Dienstag in Berlin.
Im Prozess müsse daher auch der Frage nachgegangen werden, ob der Attentäter Unterstützer hatte und in rechte Netzwerke eingebunden war. Angesichts jüngster Rechtsextremismus-Fälle und neuer Drohschreiben des "NSU 2.0" müsse noch genauer hingesehen werden, so die Forderung des Zentralrats. Ein klares Urteil könne ein deutliches Signal gegen Gewalt und Rechtsextremismus in Deutschland setzen.
Mord in zwei Fällen, versuchter Mord in 68 Fällen
Der Prozess gegen den mutmaßlichen Attentäter Stephan B. hat am Dienstag vor dem Landgericht Magdeburg begonnen. Der Generalbundesanwalt erhebt den Vorwurf des Mordes in zwei Fällen, des versuchten Mordes in 68 Fällen sowie der Volksverhetzung und gefährlicher Körperverletzung. Dem angeklagten 28-Jährigen droht lebenslange Haft und anschließende Sicherungsverwahrung.
Der Angeklagte steht im Verdacht, am 9. Oktober 2019 in antisemitisch, rassistisch und fremdenfeindlich motivierter Absicht einen Anschlag auf die Synagoge in Halle/Saale verübt zu haben. Er war laut Anklage mit Schusswaffen und Sprengsätzen ausgerüstet. In dem jüdischen Gotteshaus hatten sich zum Tatzeitpunkt 52 Menschen anlässlich des höchsten jüdischen Feiertags Jom Kippur versammelt.
Nachdem das Eindringen in die Synagoge misslungen war, soll der aus Sachsen-Anhalt stammende Mann zwei Menschen erschossen haben. Er filmte seine Taten und streamte sie live im Internet. Ferner postete er Links zu Dokumenten, in denen er seine Motivation und seinen Tatplan schildert.
Schuster fordert bessere Aufklärung über Judentum
Der Präsident des Zentralrates der Juden, Josef Schuster, fordert, vor allem Kinder und Jugendliche besser über das Judentum aufzuklären und so Antisemitismus vorzubeugen. Im SWR Tagesgespräch sagte er, Antisemitismus sei nicht mehr, sondern eher sichtbarer geworden.
"Aufklärung im schulischen Umfeld ist hier ganz, ganz wichtig." In vielen Schulbüchern gebe es Darstellungen von Juden, wie sie sonst in der nationalsozialistischen Zeitschrift "Stürmer" zu finden gewesen seien oder "der Realität in keiner Weise entsprechen".
Mazyek: Erwarte hartes und wegweisendes Urteil
Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, betonte, er erwarte ebenfalls ein "hartes und wegweisendes" Urteil. "Es sollte deutlich machen, dass Rassismus keine Meinung ist - sondern im schlimmsten Fall tötet", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Ich wünsche mir dies auch als ein Signal an die Minderheiten und vielfältigen, friedlichen Gruppen in Deutschland."
Für Täter wie dem Halle-Amokläufer mache es keinen Unterschied, ob sie Juden oder Muslime treffen, so Mazyek. "Solche Täter sind in ihrem Hass nur auf maximale Wirkung und Schaden aus." Muslime in Deutschland fühlten sich nicht ausreichend von den Sicherheitsbehörden geschützt.
Zwar habe sich inzwischen in einigen Bundesländern einiges getan, so Mazyek, allerdings passierten weiter fast wöchentlich Angriffe auf Moscheen. Ein flächendeckender Schutz von Moscheen über 24 Stunden täglich sei unrealistisch. Manchmal reiche ein besonderer Schutz an Feiertagen oder zum Freitagsgebet.
Am Dienstag beginnt der Prozess gegen den mutmaßlichen Attentäter von Halle vor dem Landgericht Magdeburg. Der Generalbundesanwalt erhebt den Vorwurf des Mordes in zwei Fällen, des versuchten Mordes in 68 Fällen sowie der Volksverhetzung und gefährlicher Körperverletzung.
Dem angeklagten 28-Jährigen droht lebenslange Haft. Das zuständige Oberlandesgericht Naumburg hat 40 Nebenkläger zugelassen und 18 Verhandlungstage angesetzt.