Berlin: Gottesdienstgesang soll bald wieder erlaubt sein

"Zentraler Bestandteil unseres Glaubenslebens"

In Berlin darf bald wieder im Gottesdienst gesungen werden. Das hat der Berliner Senat vergangene Woche bewilligt. Welche Regeln künftig gelten sollen und welche Probleme es noch geben könnte, erklärt der ev. Landeskirchenmusikdirektor Prof. Kennel.

Mitglieder des Staats- und Domchores vor dem Berliner Dom / © Carsten Koall (dpa)
Mitglieder des Staats- und Domchores vor dem Berliner Dom / © Carsten Koall ( dpa )

DOMRADIO.DE: Singen ist ein wichtiger Bestandteil des Gottesdienstes. Wie schwierig war es abzuwägen zwischen der erhöhten möglichen Ansteckungsgefahr und der freien Auslebung des Gemeindelebens?

Prof. Dr. Gunter Kennel (Landeskirchenmusikdirektor Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz): Sie haben völlig Recht. Das ist natürlich eine Abwägungsfrage. Es ist völlig unbestritten, dass Singen als Tätigkeit, die ein erhöhtes Atemaufkommen hat, unter besonderer Beobachtung stehen muss, weil dieses Virus einfach durch Aerosole verbreitet wird. Insofern waren wir selber schon lange in einem Abwägungsvorgang, inwieweit man das Risiko eingehen kann, Singen wieder zu erlauben. Auf der anderen Seite haben Sie völlig Recht. Es ist auch für uns wirklich zentraler Bestandteil unseres Glaubenslebens. Insofern ist es wirklich schwer, darauf zu verzichten. Und genau diese Abwägung haben wir mit dem Senat von Berlin jetzt intensiv diskutiert und sind jetzt wieder gemeinsam zu der Entscheidung gekommen, dass Singen in geschlossenen Räumen, darum geht es ja, gemeinschaftlich wieder erlaubt sein soll.

DOMRADIO.DE: Hygienemaßnahmen sind nach wie vor wichtig: Jetzt muss noch erarbeitet werden wie diese aussehen, auch wenn da jetzt noch keine Entscheidung gefallen ist. Was wären denn mögliche Regeln?

Prof. Kennel: Es ist völlig klar, dass die Abstandsregeln auf jeden Fall eingehalten werden müssen. Beim Singen liegt es nahe auch etwas etwas größere Abstände zu nehmen. Das heißt, es könnte aus meiner Sicht darauf hinauslaufen, dass man schon einen Abstand von mindestens zwei Metern einhält. Einfach um ganz sicher zu gehen, dass Tröpfcheninfektion vermieden wird, die auftritt, wenn man stark artikuliert.

Der zweite Punkt beim Singen ist, dass es sehr davon abhängt, wie viele Menschen in einem Raum wie lange intensiv atmen, in diesem Fall singen. Das heißt, man muss dafür Sorge tragen, dass der Raum insgesamt nicht überbesetzt ist, dass die Veranstaltung, in der gesungen wird, entsprechend kurz oder begrenzt ist. Dass, wenn sie länger dauert, auf jeden Fall zwischendrin stark und gut gelüftet wird - und dass die Dauer selber begrenzt ist, bei einem Gottesdienst auf 20 Minuten, maximal 30 Minuten. Das wäre ja schon verglichen mit unseren bisherigen Gottesdiensten eigentlich relativ komfortabel

DOMRADIO.DE: Steht da auch zur Debatte, ob ein Mundschutz getragen werden muss während des Singens?

Prof. Kennel: Sobald Sie Mundschutz tragen ist der Tröpfchenausstoß natürlich behindert. Das heißt, dann wird es sehr viel leichter, Singen zuzulassen, und man kann gegebenenfalls auch die Abstände möglicherweise noch ein bisschen verringern. Singen mit Mundschutz ist, wie ich aus eigener Erfahrung weiß, nicht sonderlich schön. Aber es wäre auf jeden Fall ein Kompromiss, mit dem wir in dieser jetzigen Zeit angesichts der Gefahr des Virus auch leben können und leben müssen.

DOMRADIO.DE: Welche Unterscheidungen wird es geben zwischen Chorgesang und Gemeindegesang?

Prof. Kennel: Aus meiner Sicht gibt es schon die Tendenz, beim Gemeindegesang den Mundschutz dringend zu empfehlen, wenn nicht vorzuschreiben. Einfach aus dem genannten Grund, dass man dadurch Tröpfchenausstoß sicher - oder relativ sicher - verhindern kann. Ansonsten, was das Infektionsrisiko anbelangt, ist es weniger die Tatsache, ob nun eine Gemeinde singt oder ob ein Chor singt, sondern die Tatsache: Wie intensiv wird gesungen? Wie lange wird gesungen? Und: Wie gut ist der Raum belüftet?

DOMRADIO.DE: Es ist bisher noch keine Entscheidung gefallen. Wie geht es jetzt weiter? Was ist als nächstes zu tun?

Prof. Kennel: Aus unserer Sicht ist jetzt erst mal abzuwarten. Der Senat von Berlin hat in seiner jüngsten Erklärung, die das Singen in geschlossenen Räumen wieder erlaubt hat, nachgeschoben durch das Konzept des Senators, was in Erarbeitung ist, bekräftigt, dass es vorläufig noch verboten ist, bis diese Erarbeitung abgeschlossen ist. Ich persönlich rechne innerhalb dieser oder der nächsten Woche mit der Veröffentlichung des Konzeptes. Sie müssen sich das vorstellen: Da arbeiten ja nicht nur eine Abteilung oder eine Senatsverwaltung zusammen, sondern mehrere. Und da ist natürlich eine Abstimmung nötig. Mein und unser Interesse ist natürlich sehr stark, dass es so schnell wie es geht kommt. Denn bald gehen bei uns die Ferien zu Ende. Spätestens am 10. August geht es wieder mit der Schule los. Da müssen einfach auch im Blick auf die schulischen Verhältnisse und im Blick auf das Gemeindeleben, was dann auch wieder verstärkt anfängt, einfach die Bedingungen klar sein, unter denen gesungen werden kann. 

Das Gespräch führte Julia Reck.


Quelle:
DR