Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung Johannes-Wilhelm Rörig signalisierte der Deutschen Ordensobernkonferenz (DOK) am Mittwoch Unterstützung für einen "strukturierten Aufarbeitungsprozess". Er hoffe zugleich, "dass die DOK dabei zusätzlich starke Unterstützung aus dem Kreis der Orden und Diözesen erhält", sagte Rörig der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Zuvor hatte der Dachverband die Ergebnisse eine Befragung von 392 Ordensgemeinschaften vorgestellt. Daran hatten sich mit 291 Gemeinschaften etwa drei Viertel beteiligt, in denen 88 Prozent der heutigen Ordensmitglieder leben. In den zurückliegenden Jahrzehnten gab es demnach Missbrauchsvorwürfe gegen mindestens 654 Ordensleute sowie 58 Angestellte. Wenigstens 1.412 Kinder, Jugendliche oder Schutzbefohlene waren von sexuellen Übergriffen betroffen.
Rörig verwies auf die im Juni mit der Deutschen Bischofskonferenz verabschiedete "Gemeinsame Erklärung", die das Zusammenwirken von Kirchenvertretern, Experten und staatlichen Stellen bei der Aufarbeitung von Missbrauch verbessern soll. Die Orden blieben bei dieser Vereinbarung bisher außen vor. Nun aber sollten die Verhandlungen zu verbindlichen Strukturen, Standards und Kriterien einer umfassenden Aufklärung und unabhängigen Aufarbeitung auch unter Miteinbeziehung der Orden "zügig beginnen", forderte Rörig.
"Eckiger Tisch" übt Kritik
Kritik kam von der Betroffenen-Initiative "Eckiger Tisch". Viel zu lange hätten sich die meisten Ordensgemeinschaften der Verantwortung verweigert. "Und auch jetzt meinen sie, dass sie alle Zeit der Welt haben, um erst einmal in Gespräche einzutreten, ob und wie sie ihre Geschichte von Gewalt und sexuellem Missbrauch aufklären wollen", erklärte Sprecher Matthias Katsch.
Er forderte, alle Aktenbestände der Ordensgemeinschaften zu sichern und sie den Staatsanwaltschaften zur Verfügung zu stellen, sofern es einen Verdacht auf sexuellen Kindesmissbrauch gebe. "Sofern dann eine Verjährung festgestellt ist, was in vielen Fällen zu erwarten ist, müssen die so gesicherten Unterlagen einer baldigst einzurichtenden zentralen Aufarbeitungskommission zugeleitet werden."
Keinesfalls dürfe mit Hinweis auf verarmte Gemeinschaften den Opfern eine angemessene Entschädigung verweigert werden, betonte Katsch weiter. Diese müssten sich an den Empfehlungen orientieren, die im vergangenen Jahr für die Bischofskonferenz von Experten entwickelt und vorgelegt worden seien.
Laut DOK-Generalsekretärin Agnesita Dobler streben die Orden ein einheitliches System zusammen mit der Bischofskonferenz an. Allerdings benötigten die Gemeinschaften Unterstützung bei der Finanzierung. Das Konzept der Bischöfe sieht Summen zwischen 5.000 und 50.000 Euro pro Fall vor.