Es war eine düstere Bestandsaufnahme, die Diakonie-Präsident Ulrich Lilie vorige Woche in der Zeitung "Die Welt" abgab. Auf eine zweite Corona-Welle, so der Tenor, seien Deutschlands Pflegeheime - allen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz - denkbar schlecht vorbereitet. Noch immer fehle es flächendeckend an Desinfektionsmitteln und Schutzkleidung. Statt effektiv zusammenzuarbeiten, traktierten Gesundheitsämter, Ministerien, Kommunen und das Robert-Koch-Institut die Heime mit sich widersprechenden Anforderungen und Anweisungen.
Was Lilie aber besonders erbost: Die Erfahrungen aus der ersten Welle seien folgenlos geblieben, eine systematische Aufarbeitung sei nicht erfolgt. Der Diakonie-Präsident wörtlich: "Es werden keine Schlüsse gezogen für die nächste Krise. Das besorgt mich sehr." Entsprechend groß sei die Angst in den Einrichtungen vor einer zweiten Welle.
Besorgnis ja - Angst nein
Fragt man bei katholischen Trägern nach, so fällt zunächst auf: Niemand will Lilie gezielt widersprechen. Alarmistisch wie der Diakonie-Präsident zeigt sich aber auch keiner. Beispiel Malteser: Besorgnis ja - Angst nein, so bringt es Michael Redmann, stellvertretender Geschäftsführer der "Malteser Wohnen und Pflegen gGbmH", auf den Punkt. Und ergänzt dann doch: "Ich denke, wir sind für eine zweite Welle soweit gewappnet." Momentan hätten die Pflegeheime genug Schutzausrüstung - auch dank des unermüdlichen Einsatzes der Malteser-Zentrale in Köln.
Was Redmann hingegen bestätigt, ist der "bunte Flickenteppich an Verordnungen", mit denen die übergeordneten Stellen die Pflegeheime überziehen. Um hier zu einer Vereinheitlichung zu kommen, hätten die Malteser das Heft selbst in die Hand genommen. So habe sich aus Vertretern sämtlicher Regionen eine Pandemiegruppe gebildet, die einmal pro Woche tagt. Diese habe dann Handlungsempfehlungen für die verschiedenen Einrichtungen entworfen: Die gehen nicht selten über die behördlichen Anordnungen hinaus.
"Die Zahlen geben uns recht"
Strenge Hygienevorgaben für Besucher zählen ebenso dazu wie die frühzeitig eingeführte Maskenpflicht für alle Mitarbeiter; Regeln, die selbstverständlich unverändert weiter gültig seien. "Und die Zahlen geben uns recht", betont Redmann. Nur sieben Tote habe der Träger bisher zu beklagen - bei immerhin rund 3.800 Heimplätzen.
Beim Deutschen Caritasverband will man überhaupt nicht direkt Stellung nehmen zu den Äußerungen von Ulrich Lilie. Besorgt aber gibt man sich dort nicht. Engpässe beim Schutzmaterial, heißt es aus dem zuständigen Fachreferat, gebe es derzeit allenfalls punktuell. "Insofern fühlen wir uns gut vorbereitet auf eine Dauer- oder zweite Welle".
Uneinheitliche Regeln der Behörden
Die Uneinheitlichkeit der behördlichen Maßgaben bemängelt aber auch die Caritas. Selbst innerhalb eines Bundeslandes wichen die Vorgaben der Gesundheitsbehörden deutlich voneinander ab, etwa, was das Thema Testungen betrifft. "Da mahnen wir gegenüber der Politik immer wieder eine größere Einheitlichkeit an", so die Referentin. Zugleich spiegle der Verband kontinuierlich die Erfahrungen aus der Praxis an die Politik. "Wir hoffen, dass die dort auch gehört und entsprechend berücksichtigt werden."
Zuversichtlich blickt die BBT-Gruppe, Träger von rund 100 Krankenhäusern, Pflegeheimen und Sozialeinrichtungen, in die Corona-Zukunft. Abgesehen von ein paar Anfangsproblemen habe das Zusammenspiel der verschiedenen Akteure vor Ort an allen Standorten im Grundsatz gut funktioniert, betont Albert-Peter Rethmann, Geschäftsführer und Sprecher der Geschäftsführung. "Die lokalen Krisenstäbe haben hier herausragende Arbeit geleistet und wir sind zuversichtlich, dass sich diese Zusammenarbeit auch im Falle einer zweiten Welle bewähren wird."
"Wir würden heute einiges anders machen"
Ausdrücklich lob Rethmann die Mitarbeiter in Medizin und Pflege, ohne deren Engagement die Bewältigung der ersten Pandemiewelle nicht möglich gewesen wäre. Dennoch: Fehler wurden analysiert. "Sicher haben wir auch gelernt und würden heute einiges anders machen. Gerade deshalb sind wir heute gut vorbereitet und können schnell auf steigende Infektionszahlen und eine Zunahme von Erkrankungen reagieren", fasst Rethmann die Situation zusammen.