DOMRADIO.DE: Mit der Aktionswoche demonstrieren Sie für Gleichberechtigung in der katholischen Kirche. Was genau haben Sie in dieser Aktionswoche geplant?
Ute Hücker (Katholischer deutscher Frauenbund, KDFB,unterstützt die Protestaktion Maria 2.0): Es gibt verschiedenste Angebote bis zum 26. September. Am Sonntag haben wir auf dem Roncalliplatz vor dem Kölner Dom eine Mahlfeier, am darauffolgenden Tag ein Montagsgebet, was wir immer am dritten Montag im Monat in St. Agnes durchführen. Wir sprechen mit Thomas Schüller ein politisches Nachtgebet, wir haben junge Frauen zu Gesprächen eingeladen... Es ist ganz vielfältig, so vielfältig wie Kirche ist, so vielfältig wie Frauen sind. Das ganze Programm haben wir so gestrickt, dass wir sagen: Wir sind offen, wir sind einladend. Wir sind auf einem gemeinsamen Weg.
DOMRADIO.DE: Und dass Sie das Ganze parallel zum Treffen der Bischöfe organisiert haben, das ist natürlich kein Zufall.
Hücker: Nein, natürlich ist das kein Zufall. Wir machen mit dieser Woche, die parallel stattfindet, darauf aufmerksam, dass es Frauen gibt, die weiterhin draußen vor der Kirche stehen, die gerne mit in der Kirche wären. Und wir machen darauf aufmerksam, dass wir miteinander im Gespräch bleiben wollen. Das heißt also, Frauen und Priester und Bischöfe schauen, wie wir in Sachen Gleichberechtigung und Geschlechtergerechtigkeit innerhalb der Kirche auf einen guten Weg kommen und vor allen Dingen auf ein gemeinsames Ziel hin.
DOMRADIO.DE: Sie sagen, wir wollen wirklich die volle Gleichberechtigung in der katholischen Kirche. Wie stellen Sie sich die vor? Gleiche Rechte, gleichen Zugang zu allen Ämtern für alle?
Hücker: Ja, gleiche Rechte, gleiche Pflichten. Wir gehen davon aus, dass Frauen die gleichen Rechte und die gleiche Würde haben wie Männer. Wir gehen ferner davon aus, dass auch Frauen Berufungen spüren und nicht nur Männer. Und wir gehen davon aus und wissen auch, dass sehr viele Frauen gerade im seelsorglichen, spirituellen Bereich, im diakonischen Bereich sehr, sehr viele Erfahrungen haben. Und es geht letztendlich darum, das Wort Gottes, die frohe Botschaft Jesu Christi, zu den Menschen zu bringen. Und das ist keine Aufgabe, die allein Männern vorbehalten ist. Davon zeugt auch allein schon Maria Magdalena, die als erste Glaubenszeugin den Auftrag bekommen hat: "Geh zu den Jüngern und erzähle ihnen von meiner Auferstehung.
DOMRADIO.DE: Darauf wollen wir jetzt nochmal ganz dezidiert aufmerksam machen. Und es gibt katholische Frauenverbände, die nicht teilnehmen wollen oder dürfen. Wie bewerten Sie das?
Hücker: Ja, ich habe davon gehört, dass der Schwesterverband vom KDFB, also die kfd, sage ich mal so, Vorbehalte mitbekommen hat. Und ich bewerte das als keinen guten Zug. Und ich appelliere als KDFB-Frau an die kfd-Schwestern trotzdem in all ihrer Farbenpracht und Fröhlichkeit und mir ihrem ganzen Engagement sich an dieser Woche zu beteiligen und vor allen Dingen auch Sonntagnachmittag auf den Roncalliplatz zu kommen.
DOMRADIO.DE: Auch Kardinal Woelki begründet seine Position unter anderem damit, dass schon Papst Johannes Paul der Zweite eindeutig klargestellt habe, dass es in dieser Frage keinerlei Spielraum mehr für Diskussionen gibt. Was antworten Sie darauf?
Hücker: Darauf antworte ich, dass es eine ganze Reihe Bischöfe gibt, die eine andere Meinung haben und die auch öffentlich äußern. Und dass ich darum sehr froh bin und dass darin ein Reformwille erkennbar ist, der mir Mut und Hoffnung gibt, dass gemeinsam mit Bischöfen, die tatsächlich etwas verändern wollen, auch etwas auf den Weg gebracht werden kann. Es wird sicherlich eine Weile dauern, denn die Kirche denkt ja in Jahrhunderten. Es müssen jetzt nicht hundert Jahre sein, es darf auch durchaus weniger sein. Aber für mich ist die Tür nicht zu, sondern sie ist immer noch ein Stück weit geöffnet. Und von daher bin ich der Ansicht, dass sich hier auch durch die Kraft der vielen Frauen im Gespräch mit kirchlich Verantwortlichen auch bestimmt noch das ein oder andere bewegen will. Ich bin nicht hoffnungslos.
DOMRADIO.DE: Ich komme noch einmal auf Kardinal Woelki zurück. Der sagt mit Blick auf die Frauenfrage Gott ist größer als unsere Wünsche und Vorstellungen. Können Sie das nachvollziehen?
Hücker: Woher weiß er, dass Gott größer ist als unsere Wünsche und Vorstellungen? Von welchen Wünschen und Vorstellungen sprechen wir denn? Also, ich kann mit diesem Satz jetzt gerade nicht ganz so viel anfangen, aber ich glaube, dass, wenn ich auf die frohe Botschaft oder auch auf meine Vorstellung von Gott blicke, dass es keine derartigen Separierungen in "die Guten, ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen" geben sollte. Ich denke, dass die Wünsche, die groß sind, auch groß bleiben dürfen.
DOMRADIO.DE: Ich führe nochmal ein Argument an, das immer wieder gegen das Frauenpriestertum vorgebracht wird, und zwar das, dass die Weltkirche einfach noch nicht soweit ist und dass es dann zur Kirchenspaltung kommen könnte, wenn wir hier in Deutschland zum Beispiel vorangehen würden.
Hücker: Aber das macht doch nichts. Wir dürfen doch ruhig vorangehen. Wir müssen doch nicht warten, bis dass alle soweit sind. Wir dürfen gehen. Das, was im Moment da ist, an Energie, an Veränderungswillen, das ist doch deswegen da, weil da Menschen sind, Christinnen, Katholikinnen, deren Herz für diese Kirche schlägt. Das sind Frauen und Männer, die wollen, dass diese Botschaft gelebt wird und dass sie eine Zukunft hat. Und da kann ich doch nicht davon ausgehen, dass, wenn ich mich auf einen Weg begebe, der ja angestoßen ist, dass der als Ziel eine Spaltung hat. Also ich darf auch durchaus positiv denken und sagen: "Ich bin unterwegs. Ja, und ich werde Erfahrung machen. Ja, möglicherweise bin ich auch auf einem Umweg. So what? Ich habe ein Butterbrot in der Tasche, dann setze ich mich mal hin und mache Pause und überlege, welche Strecke ich denn jetzt weitergehe". Aber das ist doch diese Bedeutung als Volk Gottes unterwegs sein. Und das Ziel ist für mich nicht Spaltung, sondern ein neuer Aufbruch.
DOMRADIO.DE: Sie von Maria 2.0. stoßen mit Ihrer Initiative, mit Ihren Aktionen ja wirklich auf viel Zustimmung, aber eben in den entscheidenden Kreisen auch auf massiven Widerstand. Ist das nicht immer wieder ziemlich entmutigend?
Hücker: Oh ja, das ist manchmal entmutigend. Aber Frauen haben einen langen Atem, und zwar nicht erst seit letztem Jahr, seit der Initiative 2.0, sondern seit Jahrzehnten. Ich möchte daran erinnern, dass nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil 1965 sehr viele Frauen sehr motiviert und enthusiastisch waren, die sich engagiert haben, die im Laufe der Zeit ein bisschen ihre Motivation und ihre Kraft verloren haben. Aber diese Frauen sind immer noch da, und diese Frauen sind diejenigen, die wir bei Maria 2.0 und bei Veranstaltungen treffen. Die jungen Frauen sind nicht da oder nicht mehr da. Die erreicht die Kirche auch heutzutage nicht mehr. Und Frauen haben einen langen Atem. Wir haben ihnen die Frauenverbände, haben ihnen, und wir sind weiterhin motiviert, uns für unser Ziel, nämlich eine gleichberechtigte und geschlechtergerechte Kirche, die auf Partnerschaft basiert und die Frauen und Männer gleichermaßen in die Verantwortung nimmt, einzusetzen.
DOMRADIO.DE: Und Sie stoßen da auf diesen Widerstand, und es ist zäh, und es ist schwer. Sollte sich jetzt wirklich nichts Essenzielles tun in absehbarer Zeit - werden sich da nicht gerade die jungen Frauen noch weiter reihenweise von der katholischen Kirche abwenden? Was meinen Sie?
Hücker: Es werden nicht nur die jungen Frauen, sondern es werden sehr viele alte Frauen sein. Die Frauen, die noch da sind, das ist Mittelalter aufwärts: Von 45 bis 85 treffen wir alle noch. Und von denen haben wir schon sehr, sehr viele gesagt. Wenn sich hier nichts ändert, dann ist für mich Schicht im Schacht. Und so, glaube ich, wird das dann auch sein. Es wird, wenn sich auf Dauer nichts ändern würde und die Energie nicht mehr vorhanden ist, dann gibt es einen Auszug, und der ist nicht energievoll, sondern der es still. Und plötzlich sind da einfach keine Frauen mehr da.
Das Interview führte Hilde Regeniter.