Vaclav Maly ist seit fast einem Vierteljahrhundert Bischof. Er wird wohl auch noch ein paar Jahre im Amt bleiben. Und doch hat er ein bemerkenswert politisches Leben gelebt: als Bürgerrechtler in der sozialistischen Tschechoslowakei, als Mahner und Mutmacher in der noch jungen tschechischen Demokratie und in der EU. Am Montag (21. September) wird der Prager Weihbischof und Mitstreiter von Vaclav Havel 70 Jahre alt.
1950 in der Hauptstadt Prag geboren, erlebte der junge Maly mit, wie in der zweiten Hälfte der 60er Jahre Priester aus den Gefängnissen der Kommunisten zurückkehrten und im "Prager Frühling" aktiv wurden. "Das war eine sehr fruchtbare Zeit, auch im kulturellen Leben", berichtete er 2018 in einem Interview: "In Prag entstanden neue Theater und Zeitschriften. Ich war begeistert und habe viel gelesen."
Die Niederschlagung des Prager Frühlings und der Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen im August 1968 war ein Schock für den damals 18-jährigen Maly: "Es gab vorher gewisse Signale, dass etwas passieren könnte. Aber der brutale Einmarsch war in dieser Form nicht erwartet worden." 1969 folgten die Säuberungen in der Kommunistischen Partei selbst, in Gesellschaft und Kirche.
Erst die Weihe, dann das Berufsverbot
Die damaligen Ereignisse hätten ihn dazu bewogen, Priester zu werden, erinnert sich der Bischof: "Nach dem Prager Frühling sah ich, wie sich Menschen veränderten und vorsichtiger wurden." Er habe zeigen wollen, "dass es sich lohnt, das Evangelium zu bekennen".
Als einer von ganz wenigen Priestern unterschrieb der 1976 geweihte Maly im Februar 1977 die Menschenrechtserklärung Charta 77, die Gerechtigkeit und Freiheit in der Tschechoslowakei einforderte. Die Folge: Berufsverbot als Priester, Verfolgung durch die Geheimpolizei, 1979 sieben Monate Gefängnis wegen "Republik-Subversion".
Von 1980 bis 1986 arbeitete Maly als Heizer in Prager Hotels; daneben war er 1981/82 Sprecher der Charta 77. Als Priester wirkte er geheim, feierte "in Wohnungen oder im Sommer auch im Wald mit kleinen Gruppen Eucharistie", hielt Bibelstunden und Vorträge, spendete Sakramente und schrieb im Untergrund. Die Jahre in der Opposition seien für ihn dennoch "sehr wertvoll" gewesen, sagt Maly, weil er "den Dialog mit Menschen ganz unterschiedlicher weltanschaulicher Herkunft führen konnte".
572 Dokumente zu verschiedensten Themen brachte die Charta 77 bis 1989 heraus: zu Menschenrechten, Minderheiten, zu Umwelt, Kultur oder Geschichte. Maly nennt sie eine "Schule der Demokratie", in der Menschen mit sehr verschiedenen Ansichten es dennoch schafften, sich zu einigen. In einer eingeschüchterten Gesellschaft blieb die Bewegung dennoch weitgehend isoliert: Nur 1.883 Menschen traten der Charta 77 bis zur Wende bei.
Symbolfigur neben Vaclav Havel
In der "Samtenen Revolution" im Herbst 1989 wurde Maly zu einer der Symbolfiguren. An der Seite des Schriftstellers und späteren Staatspräsidenten Vaclav Havel (1936-2011) moderierte er die entscheidenden Großdemonstrationen gegen das kommunistische Regime auf dem Wenzelsplatz. Trotz seiner großen Popularität ging Maly danach nicht in die Politik - "die größte Versuchung meines Lebens" -, sondern als Pfarrer zurück an den Altar. Im Dezember 1996 ernannte ihn Papst Johannes Paul II. zum Weihbischof.
Zutiefst politisch ist Maly auch als Bischof immer geblieben, als Mahner und bürgerlicher Muntermacher. Immer wieder fordert er seine Landsleute zu mehr demokratischem Mittun auf. Die Freiheit sei 1989 "wie ein Geschenk" dahergekommen, sagte er 2013 im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA): "Aber die Menschen vergessen, dass sie selbst gefordert sind."
Nur durch Mittun entstehe eine funktionierende Bürgergesellschaft, ist Maly überzeugt. "Man kann diese Atmosphäre der Zusammenarbeit auch durch die besten Gesetze nicht anordnen. Das müssen die Menschen schon selbst in Angriff nehmen." Freiheit, so der Bischof, sei eine schwierige Sache. "Viele meinen, dass sich Freiheit auf ihr persönliches Leben beschränkt." Aber: "Ein befreiter Mensch muss sich in erster Linie anstrengen. Freiheit ist eine Mission für das ganze Leben." Aus dem Heizer für Hotels ist ein Einheizer für Demokratie geworden.