Derzeit fehlten in Deutschland mehr als 10.000 Pflegekräfte, sagte Losinger im Interview der "Augsburger Allgemeinen" (Donnerstag). 25 Patienten teilten sich im Durchschnitt eine Pflegekraft. Auch Anwerbeaktionen von Pflegekräften im Ausland seien nur begrenzt erfolgreich. Der Bischof betonte zugleich, dass der Einsatz von Maschinen seine ethische Grenze erreiche, "wo es um den Menschen mit seinen existenziellen Gefühlen, Sorgen und Ängsten geht".
Die medizinische Diagnostik und Therapie erlebten zurzeit einen "dramatischen Entwicklungsschub" digitaler Technologien, so der katholische Weihbischof. Aber Therapie und Heilung seien ein ganzheitliches Geschehen, und deshalb blieben Menschen, der verantwortliche Arzt ebenso wie die persönliche Zuwendung in der Pflege entscheidend. Letztere könne unter keinen Umständen ersetzt werden. Der Mensch sei im Gegensatz zur Maschine ein Wesen mit eigener Freiheit und Würde, mit Sorgen, Ängsten und Hoffnungen, erklärte Losinger. Er sei nun mal ein bewusst denkendes, fühlendes und sprechendes "Ich" und kein Algorithmus.
Auch in der Pflege könnten Maschinen sinnvoll sein
Dennoch gebe es im Bereich der Pflege eine Reihe von schweren und zeitraubenden Tätigkeiten, in denen maschinelle Hilfe sinnvoll sein könnte, so Losinger. Transportsysteme und Reinigungshilfen bis hin zu Entlastungssystemen bei schweren körperlichen Pflegetätigkeiten könnten dem Personal die Arbeit erleichtern. Vor allem auch die Entlastung von dringend aufwendigen Verwaltungstätigkeiten wäre
sinnvoll. Aktuell würden sogar Medikamentierung oder die Verteilung von Essen durch autonom gesteuerte Systeme erprobt.
Insgesamt befürchtet Losinger, dass Deutschland in der Pflege auf die älter werdende Baby-Boomer-Generation nicht vorbereitet sei. Die Verlagerung des Problems auf die künftige Generation oder Anwerbung ausländischer Pflegekräfte vor allem in der Altenpflege könne keine Dauerlösung sein. Die älter werdende Gesellschaft müsse sich fragen lassen, was das Versprechen des sogenannten Generationenvertrags und der solidarischen Pflegeversicherung bedeute und "wie wir vorsorgen wollen".