KNA: Sie haben vor kurzem eine Gemeindereferentin und einen Pfarrer eigens für die Homosexuellen-Seelsorge beauftragt. Ihnen scheint das Thema am Herzen zu liegen.
Bischof Heinrich Timmervers (Bischof von Dresden-Meißen): Ich bin an verschiedenen Orten im Bistum der Gruppe schwul-lesbischer-transsexueller Christen begegnet, und sie haben mir ihre Lebens- und Glaubensgeschichten erzählt. Das hat mich sehr nachhaltig bewegt, weil ich gemerkt habe, welch ein Ringen da bei vielen stattfindet. Sie wollen Christen sein und ihren Glauben auch in der Kirche leben. Und in diesem Ringen will ich diese Menschen nicht alleine lassen.
KNA: Was bedeutet das konkret?
Timmerevers: Eine Erkenntnis meiner Beschäftigung mit dem Schreiben "Amoris laetitia" von Papst Franziskus ist: Wir haben in einigen Feldern eine sehr ausgrenzende Pastoral betrieben. Wenn jemand nicht unseren Normen entspricht, dann hat er kaum eine Chance, inmitten der Kirche zu leben. Gegen diese Ausgrenzung müssen wir angehen, daran müssen wir arbeiten. Es ist mir ein Anliegen, dass wir in unseren Gemeinden wie in der ganzen Kirche für Homosexuelle Akzeptanz und Toleranz weiterentwickeln und stärken. Insofern sollen die beiden Seelsorger, die ich jetzt beauftragt habe, ein Signal sein: Wir sind für diese Gruppe da.
KNA: Ihr Vorstoß in diesem Bereich ist für die katholische Kirche nicht selbstverständlich. Inwieweit gibt es auch Kritik?
Timmerevers: Ich weiß durchaus, dass eine Integration von Homosexuellen und mein jetziges Bemühen darum in unserer Kirche nicht von allen mitgetragen wird. Ich glaube, viele Bischöfe und Seelsorger finden das befremdlich, weil sie vielleicht auch keine Berührungspunkte haben. Dadurch, dass ich es jetzt anstoße, kann ja auch ein Prozess des Nachdenkens angestoßen werden. Das müssen wir auf allen Ebenen tun, in unseren Gemeinden, aber auch in der Bischofskonferenz. Und nicht zuletzt muss sich meines Erachtens die katholische Kirche da neu positionieren: Wie gehen wir mit Gleichgeschlechtlichen in unserer Pastoral um, und wie bewerten wir das?
KNA: Haben Sie Verständnis für homosexuelle Paare, die um einen kirchlichen Segen für ihre Partnerschaft bitten.
Timmerevers: Ja, das kann ich verstehen.
KNA: Bislang ist solch ein Segen in der katholischen Kirche nicht erlaubt...
Timmerevers: Die Frage ist doch: Was segne ich? Ich segne Menschen. Und wenn ein Mensch vor mir steht und um einen Segen bittet - wie kann ich diesen Segen verweigern? Ein Segen ist ja der Zuspruch Gottes. Zu unterscheiden davon ist, dass ich mit solch einem Segen ja nicht alles "absegne" und gut finde, was diese Menschen tun. Da muss man sehr differenziert hinschauen.
KNA: Das heißt, Sie würden es begrüßen, wenn die katholische Kirche eine Segnung homosexueller Paare erlauben würde?
Timmerevers: Ja. Man muss sich natürlich über die Form Gedanken machen. Aber grundsätzlich würde ich solch eine Öffnung begrüßen.
Das Interview führte Karin Wollschläger.