DOMRADIO.DE: Worum handelt es sich bei dieser "Konversionstherapie"?
Thomas Pöschl (Sprecher der Ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche): Ich möchte es gar nicht als Therapie bezeichnen, weil es ja erwiesen ist, dass es nicht funktioniert und eher schädlich ist. Es sind die Versuche, Menschen mit homosexuellen Empfindungen und entsprechendem homosexuellem Verhalten davon abzubringen, sodass sie heterosexuell empfinden.
DOMRADIO.DE: Welche Erfahrungen machen solche Menschen, die sich in so eine Therapie begeben?
Pöschl: Ich denke, das ist ziemlich vielfältig. Die Menschen gehen dorthin, weil sie ihr Verhalten als falsch, krank oder auch als sündhaft empfinden. Der Ausgangspunkt sind oft religiöse Vorstellungen. Sie machen entweder die Erfahrung, dass es gar nicht funktioniert und ihr Verhalten sich nicht ändert. Oder sie machen, das ist meine Bewertung, die Erfahrung, dass sie ihr sexuelles Begehren unterdrücken können und glauben, dass sie damit davon geheilt sind.
DOMRADIO.DE: Wie wird die "Konversionstherapie" seitens der Kirche bewertet?
Pöschl: Man kann sagen, dass die Kirchen als Ganzes die Erkenntnisse der Wissenschaft akzeptieren und bestätigen, Homosexualität sei keine Krankheit. Sie lehnen damit auch Therapien als solches ab beziehungsweise raten nicht dazu, solche Therapien zu machen.
Es gibt aber in allen Kirchen fundamentalistische Kreise, die sich auf Einzelmeinungen stützen, dass solche Therapien tatsächlich erfolgreich sein können oder sogar erfolgreich sind und den Menschen, die zu ihnen kommen, dann eben auch dazu verhelfen, solche Angebote zu nutzen und sich zu solchen Behandlungen zu begeben.
dass die Katholische Kirche sich damit "auch ein stückweit schuldig macht, dass eben Menschen schlechtes Gewissen haben und auch Angst davor haben und einige versuchen solche Therapien anzugehen
DOMRADIO.DE: Bundesgesundheitsminister Spahn will, dass diese Therapien verboten werden. Er sagt, wo sie durchgeführt werden entsteht oft schweres körperliches und seelisches Leid. Wie schätzen Sie diese Pläne ein?
Pöschl: Diese Behandlung ist damit verbunden, dass den Menschen irgendwie bewusst gemacht wird, dass es etwas Schlechtes ist, was sie loswerden müssen. Deswegen ist es sinnvoll, das auf jeden Fall zu verbieten, wo es sich um schutzbedürftige Menschen wie Kinder und Jugendliche handelt. Der ursprüngliche Ansatz war, das ja generell zu verbieten. Ich glaube, er macht zunächst die Beschränkung auf Jugendliche und auf Kinder, weil eben Erwachsene in einer freien Gesellschaft durchaus auch das Recht haben, Dinge zu tun, die ihnen gesundheitlich schaden.
DOMRADIO.DE: Der Gesundheitsminister hat jetzt auch nochmal ganz klar betont, Homosexualität sei keine Krankheit und so ein Verbot sei seiner Meinung nach auch ein wichtiges gesellschaftliches Zeichen an alle, die vielleicht auch mit ihrer Homosexualität hadern. Er will sagen: Es ist okay, dass du bist, wie du bist. Das ist eigentlich ja auch eine Einstellung, die unseren christlichen Werten sehr nahekommt, oder?
Pöschl: Ja, das ist eine Einstellung, die den christlichen Werten sehr nahe kommt. Es ist auch wichtig zu sehen, dass vor allem die evangelischen Kirchen in Deutschland das auch weitgehend so betonen.
Die katholische Kirche macht da einen Spagat: Sie sagt, dass homosexuelles Empfinden nicht sündhaft ist, das Ausleben dieser Gefühle aber schon. Damit macht sich die katholische Kirche auch ein Stück weit schuldig, dass Menschen ein schlechtes Gewissen und auch Angst davor haben und einige versuchen, solche Therapien anzugehen.
Das Interview führte Verena Tröster.