Zornig werden manche werden, wenn sie dieses Gebetsanliegen lesen. Darf man denn von Gott erbitten, was man selber tun könnte, aber nicht tut? Warum gibt - bildlich gesprochen - Franziskus in einem so wichtigen Anliegen "Gas" und lässt gleichzeitig seine Kurie auf die Bremse treten?
Wer so denkt, sollte auch bedenken, dass selbst der Papst längst nicht alles durchsetzen kann, was er wichtig und richtig findet. Was nützt eine Anordnung, die entscheidende Mitarbeiter (noch) nicht einsehen! Reformen in der Kirche sind nicht nur irgendein "Update". Sie müssen besprochen sein mit Gott, dem unsere Gemeinschaft in ihrem innersten Wesen gehört.
Laien und Kirche
Wer in den Evangelien nachforscht, was für eine Gemeinschaft Jesus Christus wollte, wird traurig und beschämt feststellen müssen: Die Entwicklung seiner Kirche in zwei Sorten von Menschen, in "Kleriker und Laien", ist eine Fehlentwicklung. Schon das Wort "Laien" grenzt an Sünde.
Was nützt die Erklärung, dass dieses Wort vom griechischen "Laos" kommt und schlicht die Angehörigen des Volkes (Gottes) bezeichnet, wenn es - zumindest in der deutschen Sprache - eindeutig negativ besetzt ist? Es ist kein Wort der Würde. Einem Laien fehlt Fachkenntnis und Kompetenz. Ein Laie hat kaum Ahnung von dem, was die Fachleute wissen und können. Die Zurücksetzung der "Nichtgeweihten" trifft Frauen besonders hart und grundsätzlich, weil sich von dieser Hälfte der Menschheit keine einzige unter den Geweihten findet, außer ein paar Äbtissinnen.
Der Papst möchte das Bewusstsein in der Kirche offenbar verändern, indem er - wie auch seine letzten Vorgänger - die Grundausstattung aller Christinnen und Christen hervorhebt: Die "Taufgnade" ist das unverdiente Geschenk, das allen Töchtern und Söhnen Gottes grundlegende Gleichheit verleiht. Ein durchgehendes Motiv der Evangelien ist die Ansage der Geschwisterlichkeit aller Getauften: als Zukunftsmusik für alle Menschen.
In keiner guten Familie gibt es Oberbrüder und Oberschwestern - wohl aber verschiedene Aufgaben, die den Geschwistern dienen und helfen, im Sinne des Vaters und der Mutter zusammenzuhalten.
Reform und Umdenken
Jetzt müssen nicht nur viele Leitende umdenken. Umkehren müssen auch noch viele Getaufte, die über Jahrhunderte von der kirchlichen "Obrigkeit" klein gehalten wurden. Wir müssen wohl alle umkehren zu dem Bild vom Menschen, das uns schon im Alten Testament und auf den ersten Seiten unserer Bibel verdeutlicht wird: Mann und Frau sind - gerade auch in ihrem Miteinander - Ikonen des unsichtbaren Gottes. Und alle, die in den Bund Gottes aufgenommen sind, werden füreinander verantwortlich gemacht. Die tiefsitzenden Überlegenheitsgefühle auch heutiger Männer und die Minderwertigkeitsgefühle mancher Frauen müssen geduldig besprochen und voll Vertrauen durchgebetet werden.
Dankbar ist anzuerkennen, was sich schon getan hat und tut: Dass Frauen Seelsorgeämter in den Ordinariaten leiten oder als Theologieprofessorinnen zu Bischofskonferenzen sprechen - wer hätte sich so etwas vor einem halben Jahrhundert vorstellen können!
Wir dürfen uns jetzt noch entschiedener vom Evangelium befruchten lassen: Von der Erwählung eines einfachen jüdischen Mädchens in Nazareth, von der anderen Miriam, die in Magdala am See Genezareth zu Hause war und als erste Zeugin des lebendigen "Toten" Apostelin der Apostel genannt wird.
Wir dürfen uns auch die "vielen Frauen" anschauen, die Lukas schon in seinem 8. Kapitel neben den "Zwölf" in der Begleitung Jesu sieht. Während sich bei seiner Verhaftung die Männer fluchtartig in Sicherheit bringen, sieht Lukas Frauen "in der Nähe" des Kreuzes. Der vierte Evangelist sieht sie sogar zu viert unter dem Kreuz stehen - mit dem namenlosen "Lieblingsjünger"!
Mögen in diesem Sinne viele in das Gebet des aktuellen Anliegens einstimmen.