Experten für Kampf gegen Antisemitismus an kirchlicher Basis

Judenfeindschaft auch unter Kirchgängern

Der Kampf gegen Antisemitismus dürfe nicht auf der Leitungsebene aufhören, fordern Experten. In Deutschland sei man weit gekommen, aber der Antisemitismus werde wieder stärker, so der Rabbiner Jehoschua Ahrens. 

Männer mit Kippa auf einer Bank / © Annik Susemihl (shutterstock)
Männer mit Kippa auf einer Bank / © Annik Susemihl ( shutterstock )

Im Vorgehen gegen Antisemitismus innerhalb der beiden großen Kirchen muss aus Sicht von Religionsvertretern noch stärker an der Basis angesetzt werden. Judenfeindschaft gebe es auch unter Menschen, die in die Kirche gehen, sagte der Geschäftsführer der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, Marcus Meier, am Mittwochabend auf einer online übertragenen Diskussionsveranstaltung zum christlich-jüdischen Dialog.

Da stehe noch einiges an Arbeit an. Damit die Aufarbeitung und die Auseinandersetzung mit Antisemitismus nicht auf der "Leitungsebene" der beiden großen Kirchen stecken blieben, müsse in den Gemeinden darüber diskutiert werden, mahnte Meier. Wenn man sich der Geschichte stelle, sei eine "aktive Auseinandersetzung in der Breite" möglich. Schon jetzt gebe es unterschiedliche Projekte in diese Richtung.

Rabbiner: Unterschiede nicht beiseitekehren

Der Darmstädter Rabbiner Jehoschua Ahrens betonte: "Wir haben mehr gemeinsam, als uns trennt." Das bedeute aber nicht, dass Unterschiede im interreligiösen Dialog beiseite gekehrt werden sollten. "Wir sind ja nicht eins. Das müssen wir aber auch nicht. Das sind auch katholische und evangelische Christen nicht." Wichtig sei ein Miteinander, in dem die Juden nicht abgewertet würden.

Ahrens und weitere christliche Vertreter auf dem Podium sprachen sich dafür aus, die Judaistik und auch das Thema Antisemitismus stärker in die theologische Ausbildung einzubringen. Der Pfarrer sei in der Gemeinde ein wichtiger "Multiplikator", sagte der evangelische Theologe Andreas Pangritz. Daher hänge viel an dessen Ausbildung.

Christlich-jüdischer Dialog eine "Geschichte der verpassten Chancen"

Mit Blick auf den christlich-jüdischen Dialog sprach Ahrens von einer "Geschichte der verpassten Chancen", denn das Gespräch wäre häufiger möglich gewesen, als dass die Kirchen zugegriffen hätten. Lange Zeit habe es Verachtung und Ausgrenzung gegeben. Dass Judenfeindschaft teilweise auch heute noch in den Köpfen von Menschen verankert sei, sei kein Wunder, weil sie eben lange kultiviert worden sei.

Generell sei in der Gesellschaft zu beobachten, dass sich der Antisemitismus verstärke, mutiger, lauter und aggressiver werde, betonte Ahrens. Eine Rolle spielten dabei die Sozialen Medien. Worten folgten mitunter auch Taten. Deutschland sei im Kampf gegen Judenhass weit gekommen, die Gesellschaft müsse aber weiter wachsam bleiben.

Veranstalter der Online-Debatte war die Kölnische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Kooperation mit der Karl Rahner Akademie, dem Katholischen Bildungswerk und der Melanchthon-Akademie in Köln. Auf katholischer Seite war es die Erklärung "Nostra aetate", mit der die Kirche beim Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) den katholisch-jüdischen Dialog eröffnete. Auf evangelischer Seite bereitete den Weg der Synodalbeschluss der Evangelischen Kirche im Rheinland von 1980.


Quelle:
KNA
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