Wie bei kaum einem anderen katholischen Altbischof in Deutschland hat Joachim Wankes Wort auch heute noch Gewicht. Über acht Jahre nach seinem Amtsverzicht ist der ehemalige Erfurter Oberhirte als Redner gefragt - und füllte in den Zeiten vor der Corona-Pandemie die Säle. Am 26. November feiert er den 40. Jahrestag seiner Bischofsweihe.
Prägender Bischof im Osten Deutschlands
Wanke gehörte zu den prägenden Bischöfen der katholischen Kirche im Osten Deutschlands, schon durch seine ungewöhnlich lange Amtszeit an der Spitze des heutigen Bistums Erfurt. Als er nach über 31 Jahren im Oktober 2012 zurücktrat, bescheinigten ihm seine bischöflichen Amtsbrüder einen besonderen "theologischen Sachverstand und pastorales Einfühlungsvermögen".
Wanke gab damals seine "labile gesundheitliche Situation" als Grund des Amtsverzichts an. In den vorausgegangene beiden Jahrzehnten hatte er sich zwei Herzoperationen unterziehen müssen. Dass er nicht schon früher zurücktrat, lag wohl vor allem am Deutschlandbesuch von Benedikt XVI. im Jahr 2011. Besonders Wanke war es zu verdanken, dass der Papst dabei auch nach Thüringen kam.
Kirche in der Zeit der DDR
Benedikt XVI. dankte dabei den ostdeutschen Christen für ihre Treue zur Kirche in der Zeit der DDR und danach. Dazu hatte Wanke beigetragen wie nur wenige andere. Bescheiden im Auftreten, doch bestimmt in seinen Aussagen, bewährte sich der Erfurter Bischof unter zwei gegensätzlichen Gesellschaftssystemen: 9 Jahre unter dem SED-Regime und 22 Jahre im wiedervereinten Deutschland.
Bischof sein in der DDR - das bedeutete nach Wankes Worten vor allem, die katholische Minderheit zusammenzuhalten. Ein Wirken über die Kirchenmauern hinaus in die - staatlich verordnete - atheistische Gesellschaft war kaum möglich. Nach der "Wende" stellten sich dann die Herausforderungen der freiheitlichen Gesellschaft. "So gab es nach einer gewissen Anfangseuphorie bald auch Ernüchterung und vor allem die besorgte Frage, ob wir angesichts so vieler Umwälzungen in der Gesellschaft als Kirche in Mitteldeutschland überhaupt bestehen konnten", erinnert sich Wanke. Immer jedoch ermutigte er die Christen, ihre Eigenständigkeit zu bewahren.
Den Spagat zwischen zwei Systemen musste Wanke schon in jungen Bischofsjahren bestehen. Mit 39 Jahren hatte Papst Johannes Paul II. ihn 1980 zum Weihbischof in Erfurt ernannt. Nach der Bischofsweihe folgte er schon zwei Monate später dem verstorbenen Hugo Aufderbeck auf dem Erfurter Bischofsstuhl nach.
Hochschulkarriere und andere Aufgaben
Zuvor stand der aus Breslau stammende Beamtensohn vor einer Hochschulkarriere. Er war Professor für Exegese des Neuen Testaments am Philosophisch-Theologischen Studium in Erfurt, der einzigen akademischen Ausbildungsstätte für Priester in der DDR und heutigen Universitätsfakultät. Später stand er an der Spitze des Leitungsgremiums, das im Auftrag der deutschsprachigen Bischöfe eine Revision der "Einheitsübersetzung" des Neuen Testaments vornahm.
In seiner langen Bischofszeit wurde Wanke auch zu anderen überdiözesanen Aufgaben berufen. So war er von 1995 bis 2001 Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK), von 1998 bis 2010 leitete er die Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz. Durch unkonventionelle pastorale Angebote machte Wanke bereits vorher von sich reden. Sie sollen Fernstehenden den Weg in die Kirche leichter machen, etwa die "Feiern der Lebenswende" im Erfurter Dom als Alternative für ungetaufte Jugendliche zur "Jugendweihe".
Aufruf zur "Gelassenheit"
Geschätzt wird Wanke auch für seine rhetorischen Fähigkeiten, die ihm unter anderem 2001 den "Predigtpreis" der deutschen Wirtschaft eintrugen. Bis heute nimmt er gelegentlich in dann viel beachteten Ansprachen zu kirchlichen Kernfragen Stellung.
So ruft er die Kirche auch angesichts von Krisen zur "Gelassenheit" auf. "Es gibt nichts Schlimmeres als nervöse, hektische Pfarrer und kirchliche Angestellte, die andere mit ihren kirchlichen Untergangsvisionen bedrängen", betont Wanke. Dagegen sei es ein Kennzeichen wahrer Christlichkeit, bei allem Engagement eine "Gelassenheit zu wahren, die weiß, dass wir Gott nicht mit unserer kirchlichen Betriebsamkeit unter die Arme greifen müssen, als sei er ohne uns hilflos."