Die Premiere einer Kardinalserhebung per Internet fällt verschämt aus. Am Ende, nachdem alle Kandidaten vor dem Papst kniend das rote Birett, den Ring und ihre Ernennungsurkunde erhalten haben, verliest Franziskus die Namen Jose Advincula und Cornelius Sim. Gleichzeitig erhebt er sie "in Abwesenheit" zu Kardinälen. Und während der italiensche Kommentator von Vatican News über diese Worte hinwegredet, versäumt die Regie, zumindest die Bilder der online aus Fernost zugeschalteten Bischöfe zu zeigen.
Pandemie verhindert Anreise zweier Neu-Kardinäle
Dabei sind sie im Petersdom durchaus zu sehen - auf Bildschirmen hinter den rund 100 Gästen, darunter zahlreiche Kardinäle. Für Sim und Advincula ist es ein langer Festtag. Als Franziskus ihre Namen nennt, ist es in Brunei und auf den Philippinen schon kurz vor Mitternacht. Die Pandemie hatte ihre Anreise verhindert.
Um der Würde der Feier gerecht zu werden, wurden alle Kardinäle, die online dabei sind, gebeten, auch vor dem heimischen Computer liturgische Kardinalskleidung anzulegen. Sim und Advincula tragen noch das Violett der Bischöfe. Ihre roten Roben sollen sie von einem Vertreter des Papstes demnächst vor Ort überreicht bekommen.
Kardinalserhebung in Zeiten der Pandemie
Aus der Reihe der anwesenden Purpurträger sticht der päpstliche Hausprediger Raniero Cantalamessa hervor. Der 86-jährige Kapuziner hat nicht nur auf die Bischofsweihe verzichtet, sondern auch auf die rote Kardinalssoutane. Stattdessen trägt er sein braunes Ordensgewand. Ab Freitag ist er wieder im Einsatz, wenn er in der vatikanischen Audienzhalle seine adventliche Predigtreihe für die Kurie beginnt.
Zwar wird insgesamt auf die übliche Umarmung verzichtet. Doch Washingtons Erzbischof Wilton Gregory, Nach-Nachfolger von Ex-Kardinal Theodore McCarrick (90) und erster US-Afroamerikaner mit Kardinalswürde, behält als einziger die Schutzmaske auf, als er vor Franziskus kniet. Im Übrigen tragen alle Anwesenden eine schlichte chirurgische Maske. Die mancherorts präsentierten Edelausführungen in liturgischen Farben oder Kardinalsrot waren nirgends zu sehen.
Besuch beim emeritierten Papst Benedikt XVI.
Unverständnis hingegen herrscht nach dem traditionellen Besuch der Neu-Kardinäle beim Alt-Papst. Schutzmaske, Mindestabstände in Bänken wie beim Singen: auf einmal scheinen alle Vorschriften vergessen. Seit' an Seit' sitzen die Männer in den Bänken der Klosterkapelle von "Mater ecclesiae" und singen das "Salve Regina", während Papst Franziskus und der inzwischen 93-jährige Benedikt XVI. unmittelbar vor ihnen sitzen.
Der Vatikanexperte Ulrich-Nersinger kommentiert in einem Gastkommentar für DOMRADIO.DE: "Die spinnen, die Römer!" Nicht nur wegen der gesundheitlichen Risiken, sondern auch weil Franziskus selbst verschiedentlich öffentlich eingeschärft hat, Hygieneregeln einzuhalten. Er selbst trägt eine Maske äußerst selten; mutmaßlich weil ihm diese wegen seiner früheren Lungen-OP zusätzlich Atemschwierigkeiten beschert.
"Hirte" statt "Eminenz"
Unter den vom Papst als Bischof von Rom zugeteilten Titelkirchen - Kardinäle sind traditionsgemäß so etwas wie Pfarrer der wichtigsten Kirchen in Rom - gibt es zwei Besonderheiten. Enrico Feroci (80), zuletzt Seelsorger in dem zu Rom gehörenden ländlichen Bezirk Castel di Leva, erhält seine Pfarrkirche Santa Maria del Divino Amore zugesprochen. Woraufhin Franziskus der lateinischen Erhebungsformel lächelnd hinzufügt: "Der Papst macht den Pfarrer zum Kardinal".
Die seit 2018 verwaiste Titelkirche von Ex-Kardinal McCarrick, Santi Nereo ed Achilleo nahe den Caracalla-Thermen, erhält hingegen der Aufräumer im chilenischen Missbrauchsskandal, Erzbischof Celestino Aos von Santiago. Franziskus' häufige Warnung vor Klerikalismus klingt auch in seiner Predigt an: Ein Kardinal, der sich nur als "Eminenz" fühle und nicht mehr als "Hirte", sei bereits vom Weg Jesu abgekommen.
Messe zum ersten Adventssonntag
Als der Papst am Sonntag mit den neuen Kardinälen die Messe zum ersten Adventssonntag feiert, ist Wachsamkeit ein wichtiges Stichwort. Für Christen gebe es zwei Arten der Wachsamkeit: Gebet und Liebe. Beten helfe gegen den "gefährlichen Schlaf der Mittelmäßigkeit"; denn die sei das Gegenteil zum Glauben als "brennender Sehnsucht nach Gott". Liebe zum Nächsten hingegen sei das beste Heilmittel gegen Gleichgültigkeit.
Gleichgültig würden Menschen, die nur um sich selbst kreisen. "Dann fängt man an, sich über alles zu beschweren, fühlt sich von allen schikaniert und schließlich schmiedet man ein Komplott gegen alles", warnt Franziskus. Gegen eine solche "Kettenreaktion" helfe nur Nächstenliebe: "So wie man ohne Herzschlag nicht leben kann, so kann man ohne Liebe kein Christ sein."