Vergleichsweise unscheinbar ist der Hinweis im so genannten Directorium des Erzbistums Köln, dem Kalender für die gottesdienstlichen Feiern: "Der Gedenktag der heiligen Barbara entfällt im Erzbistum Köln." Wichtig ist der Hinweis "im Erzbistum Köln" – denn in anderen Diözesen kommt Barbara durchaus in den Gottesdiensten vor.
Der Theologe Prof. Dr. Alexander Saberschinsky ist Referent für Liturgie in der Hauptabteilung Seelsorge des Erzbischöflichen Generalvikariats Köln und erklärt die Besonderheit: "Es kann passieren, dass eine Heilige oder ein Heiliger, der an anderen Orten gefeiert wird, in einem Bistum nicht gefeiert werden kann, weil man sich entschieden hat, dass ein anderer Heiliger regional noch wichtiger ist."
Kolping verdrängt Barbara
Im konkreten Fall wird am 4. Dezember stattdessen dem seligen Adolph Kolping gedacht – der hat einen starken Bezug zum Erzbistum Köln, sowohl von seiner Herkunft aus Kerpen her, seinem Wirken im sozial-caritativen Bereich als Gesellenvater im 19. Jahrhundert und auch durch seine Grabstätte in der Minoritenkirche in der Kölner Innenstadt – diese Faktoren sorgen dafür, dass Kolping als Regional-Seliger die heilige Barbara verdrängt.
Auch zum heiligen Nikolaus gibt es im liturgischen Kalender einen ähnlich nüchternen Hinweis; nämlich, dass sein Gedenktag in diesem Jahr entfällt – aber warum nur 2020 und nicht wie bei Barbara immer, zumindest im Erzbistum Köln?
Erlöser ist nur einer
Der Grund liegt in diesem Fall im Kirchenjahr, in dem nämlich der 6. Dezember 2020 auf einen Sonntag fällt. Der Sonntag feiert besonders die Erlösung der Menschheit durch Jesus Christus - dieses Glaubensgeheimnis ist aber ganz zentral für das Kirchenjahr und die Lehre der Kirche. Liturgieexperte Saberschinsky drückt es so aus: "Das ist der Kern, der im ganzen Kirchenjahr in verschiedenen Festen und zu verschiedenen Zeiten entfaltet wird – sei es der Weihnachtsfestkreis, der die Menschwerdung Gottes feiert, sei es der Osterfestkreis, der Tod und Auferstehung Jesu Christi begeht. Auch der 'normale' Sonntag im Jahreskreis steht unter der Leitidee, die Erlösung durch Christus zu feiern, denn er ist so etwas wie ein wöchentliches Osterfest im Kleinen."
Der Sonntag als wöchentliches Osterfest
Weil der Sonntag dadurch eine herausragende Stellung hat und das Geheimnis von Tod und Auferstehung von Jesus Christus feiert, bleibt in gewisser Weise kein Platz für die Feier eines Heiligen am gleichen Tag – zumindest aus gottesdienstlicher Sicht. Als die Liturgie auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962 – 1965) neu geordnet wurde, habe die Kirche auch die Heiligen dieser Leitidee theologisch zugeordnet: "Ganz konkret hat das Konzil bestimmt, dass die Heiligenfeste im Kirchenjahr kein Übergewicht gegenüber denjenigen Elementen im Kirchenjahr haben sollen, die unmittelbar die Erlösung durch Christus feiern."
Nikolausfeier geht trotz Adventssonntag
Die Heiligenverehrung hatte in den Jahrhunderten vor dem Konzil stark zugenommen – doch Erlöser der Menschen durch seinen Tod und Auferstehung ist allein Jesus Christus, das sollte wieder stärker betont werden. Ist es jetzt vielleicht sogar verboten, Nikolaus am 6. Dezember zu feiern, wenn er auf einen Sonntag fällt? Keineswegs, erklärt Alexander Saberschinsky, der auch Honorarprofessor für Liturgiewissenschaft an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen ist: "Neben den offiziellen Liturgien der Kirche gibt es den großen Bereich der sogenannten Volksfrömmigkeit und des christlichen Brauchtums. Und auf dieser Ebene spricht überhaupt nichts dagegen in der Familie und zuhause in der gewohnte und lieb gewordenen Weise Nikolaus zu feiern. Insofern der Nikolaus ein Christusbote ist, passt dies sogar hervorragend zum Anliegen des Advents. Kurzum: Man kann sehr gut Nikolaus feiern und die nächste Adventskranzkerze anzünden!"
Der Barbarazweig blüht auch im Erzbistum Köln
Der Nikolausabend ist also in diesem Jahr gerettet – doch können Frauen, die Barbara heißen, dann auch ihren Namenstag feiern, obwohl sie im Erzbistum Köln leben? Auch da gilt es zwischen dem gottesdienstlichen Kalender und dem sonstigen kirchlichen Leben zu unterscheiden. Denn fällt der Gedenktag des Heiligen oder der Heiligen auf einen Sonntag oder auf einen höherrangigen Festtag, wird der ja genauso wenig gefeiert wie in diesem Jahr Nikolaus, aber: "Der Gedenktag der oder des Heiligen fällt dann nicht einfach aus, sondern er wird lediglich in der offiziellen Liturgie der Kirche nicht begangen. Namenstag habe ich dann trotzdem", erklärt Saberschinsky. Das bedeutet, in den Gottesdiensten und wie sie gestaltet werden, spielt der/die Heilige zwar keine Rolle, für die Gläubigen auf der persönlichen Ebene aber schon.
Hilfe, mein Namenspatron ist abgeschafft!
Dass der liturgische Kalender bisweilen für Verwirrung sorgt, kommt vor, berichtet Alexander Saberschinsky. Immer wieder passiert es, dass Gläubige denken, ihre Heiligen seien "abgeschafft" worden – vor allem die Neuordnung durch das Zweite Vatikanische Konzil sorgt für Beunruhigung: "Wir erhalten im Generalvikariat schon einmal verzweifelte Anrufe: 'Was soll ich machen? Mein Namenspatron ist abgeschafft!'" Doch das ist nicht der Fall, versichert der Liturgieexperte. Da es aber so viele Heilige gibt, können nicht alle im Gottesdienst gefeiert werden, da vor lauter Heiligenfeste die Leitidee von der Erlösung der Menschen durch Jesus Christus verdeckt würde. Saberschinsky bringt es auf den Punkt: "Die Kirche hat mehr Heilige als sie explizit gottesdienstlich feiert, und der Namenstagkalender ist voller als der liturgische Kalender."
Was wird jetzt also aus der heiligen Barbara und dem schönen Brauch, einen Obstbaumzweig an ihrem Tag abzuschneiden, der dann an Weihnachten in voller Pracht erblüht? Auch darauf gibt es eine klare Antwort vom Liturgieexperten: "Wer Barbara heißt, hat trotzdem Namenstag, und auch der Brauch der Barbarazweige darf, ja sollte beibehalten werden."
Mathias Peter