Die traditionelle Telgter Krippenausstellung im Corona-Jahr

Wenn die Heiligen Drei Könige Desinfektionsmittel bringen

Die Krippenausstellung in Telgte bei Münster zieht in der Adventszeit stets rund 13.000 Gäste an. Im Corona-Jahr droht sie auszufallen. Dabei haben sich die Krippenkünstler vielfältig mit dem Virus auseinandergesetzt. Ein Ortsbesuch.

Autor/in:
Frank Biermann
Die Heiligen drei Könige tragen Mund-Nasenschutz und bringen Klopapier, Seife und Desinfektionsmittel / © Friedrich Stark (epd)
Die Heiligen drei Könige tragen Mund-Nasenschutz und bringen Klopapier, Seife und Desinfektionsmittel / © Friedrich Stark ( epd )

Als sich vor über 2.000 Jahren nach biblischer Erzählung die Heiligen Drei Könige nach Bethlehem begaben, hatten sie für das Jesuskind Gold, Weihrauch und Myrrhe im Gepäck - kostbare Heilmittel für Körper, Geist und Seele der damaligen Zeit. Im Jahr 2020 tragen die Weisen aus dem Morgenland einen Mund-Nasenschutz und überbringen Desinfektionsmittel, Toilettenpapier und Kartoffeln, begehrte Waren in der Corona-Krise.

Die Krippendarstellung des polnischen Holzbildhauers Marian Ulc ist eine von rund 140 Exponaten in der diesjährigen Krippenausstellung des Westfälischen Museums für religiöse Kultur "Religio" in Telgte, die nach gültiger Coronaschutzverordnung voraussichtlich am 20. Dezember für das Publikum geöffnet wird. Es ist bereits die 80. Krippenausstellung in Telgte, der Titel lautet "Geheimnis der Heiligen Nacht". Das Spektrum reicht von alter Volkskunst und Laienschnitzarbeit bis zur modernen Krippendarstellungen bildender Künstlerinnen und Künstler.

Mehr Einsendungen und neue Künstler

Die Exponate stammen dabei größtenteils aus Deutschland, aus dem Schwarzwald oder Oberammergau, aber auch aus Österreich und eben Polen. "In diesem Jahr gibt es deutlich mehr Einsendungen als sonst und viele Künstler, die zum ersten Mal dabei sind", sagt Museumspädagogin Simone Müller.

Die Werke übersetzen das Weihnachtsthema vielfältig. Der Warendorfer Franz-Josef Hartmeyer etwa gestaltete eine runde Holzkrippe, bestückt mit den typischen Kronenzacken des Coronavirus'. In der ausgehöhlten Kugel suchen drei Figuren Schutz. Der Titel seiner Arbeit lautet: "Das Geheimnis des Lebens kommt von Innen". Auch Christa Tenkmanns aus Rheine wählte für ihr Werk "Heilige Familie" eine runde Form, detailreich gearbeitet aus rotem Ton unter rostigem Blech.

Tägliche Vorstellungen auf Instagram und Facebook

Die Künstlergruppe "H2N" zeigt dagegen in ihrer Außenskulptur "Letzte Rettung?" einen Menschen, der gefangen ist in einem Käfig aus Neid, Hass, Gier und Angst. Jens Henning widmet sich indes mit dem Thema "Upcycling". Seine Lichtinstallation "Schattendasein" aus Metallschrott spielt dabei mit der Wahrnehmung des Betrachters.

Erst auf dem zweiten Blick offenbart sich das Christkind in der Krippe - als Schattenbild auf der Wand. Bis zur geplanten Eröffnung der Ausstellung am vierten Advent stellt das Museumsteam täglich eine besondere Krippe auf Instagram und Facebook vor.

Krippen mit politischen Bezügen

Die Telgter Krippenausstellung zeichne sich dadurch aus, dass sie aktuelle politische Bezüge mit einfließen lasse, sagt Museumsleiterin Anja Schöne. "Geradezu spektakulär" war ihren Worten zufolge eine Krippe zu den Attentaten vom 11. September, die eine Künstlerin zum Jahresende 2001 noch eilig nachgemeldet hatte.

Das Werk bestand aus zwei oben angespitzten Dachbalken, die die "Twin Towers" des World Trade Centers symbolisieren sollten. Davor standen Maria und Josef mit dem Kind, während ein Flugzeug seitlich in die Türme raste. "Kunst darf ziemlich viel", betont Schöne.

Gesellschaftliche Diskussionen und Ereignisse

In den 1970er Jahren begannen Krippenschaffende, vermehrt herausragende Ereignisse oder gesellschaftliche Diskussionen zu verarbeiten, wie Volkskundler Thomas Ostendorf erläutert, der von 1985 bis 2012 das Religio-Museum geleitet hat.

Als Beispiel nennt er den 2003 verstorbenen Künstler Albert Nadolle aus Münster. Er hatte 1973 mit Blick auf den Jom-Kippur-Krieg in Nahost eine "Friedenskrippe" geschnitzt, in der der damalige ägyptische Präsident Gamal Abdel Nasser der israelischen Ministerpräsidentin Golda Meir einen Friedensvertrag überreicht.

Flüchtlingskrise oft als Thema für Darstellungen

"Nadolle knüpfte damit an ein Werk des Warsteiner Bildhauers Hans Sommer von 1969 an, um darzustellen, dass die Welt noch eine Chance auf dauernden Frieden hat, wenn alle die Weihnachtsbotschaft beherzigen", erklärt Ostendorf.

In den vergangenen Jahren habe sich vor allem die sogenannte Flüchtlingskrise von 2015 thematisch in den Krippendarstellungen widergespiegelt. "Künstler ließen Menschen in Booten zum Gotteskind fahren, versetzten die heilige Familie in ein überfülltes Boot oder umgaben ihre Darstellung mit einem Rettungsring."

Der Bischof-Heinrich-Tenhumberg-Preis​

Die zehn schönsten Krippen in der Telgter Ausstellung werden alljährlich zum Abschluss mit dem Bischof-Heinrich-Tenhumberg-Preis geehrt. Die mit 5.000 Euro dotierte Auszeichnung des Bistums Münster wurde erstmals 1969 vergeben.

Sollte das Religio-Museum coronabedingt über den vierten Advent weiter geschlossen bleiben müssen, will Anja Schöne wenigstens an dieser Tradition festhalten. Die Preisverleihung ist für den 24. Januar 2021 angesetzt.


 

Eine Krippe auf der 80. Telgter Krippenausstellung "Geheimnis der Nacht" / © Friedrich Stark (epd)
Eine Krippe auf der 80. Telgter Krippenausstellung "Geheimnis der Nacht" / © Friedrich Stark ( epd )
Quelle:
epd