DOMRADIO.DE: Sie wollen am 24. Dezember Heiligabend in Hamburg zu den Menschen bringen. Was steckt hinter der Aktion "Klingel Bells"?
Ulf Werner (Pastor der Gemeinde Meiendorf-Oldenfelde in Hamburg): Genau, das möchte ich gerne machen. Hinter der Aktion steht einfach diese Pandemie und die Herausforderung, dass Weihnachten dieses Jahr ein bisschen anders wird. Wir haben in unserer Gemeinde Meiendorf-Oldenfelde viele kleine schöne Aktionen geplant und eine davon ist eben die "Klingel Bells"-Aktion.
Ich habe mein Lastenfahrrad ein bisschen weihnachtlich aufgetuned. Ich habe da einen kleinen Weihnachtsbaum obendrauf getackert, ein bisschen LED-Unterbodenbeleuchtung gebastelt. Damit und mit einer USB-Box mit Mikrofon fahre ich an verschiedene Stationen in der Gemeinde, begleitet von einem Rentier an einem Tannenbaum aus der Gemeinde, und halte zehnminütige Andachten. Wir werden beim Spielplatz halten und im Innenhof eines Altenheims. Da bringen wir ein bisschen Hoffnungsleuchten hin.
Diese Andachten werden etwas anders sein. Ich im Studio Klangteppiche vorbereitet. Ich hatte bei Instagram eine Umfrage gemacht an die Menschen: Was sind für euch typische Weihnachts-Geräusche? Und da kam ganz viel zurück vom Knirschen des Schnees bis hin zu diesem Klingeln des Zimbelsterns am Schluss von der Orgel.
All diese Geräusche habe ich im Studio in diesen Klangteppich eingewoben und daraus einen zehnminütigen Gang zur Kirche simuliert. Und der wird da ablaufen. Darauf kann man ganz schön die Weihnachtsgeschichte sprechen. Und dann soll es noch einen kleinen Segen geben.
DOMRADIO.DE: Der "Urban Christmas Prayer"-Klangteppich klingt ja nicht wie das klassische Weihnachtslied aus dem Gesangbuch mit der Orgel. Aber es klingt weihnachtlich. Bei der Evangelisch-Lutherischen Nordkirche sind Sie ja auch dafür zuständig, neue liturgische Formate zu entwickeln. Was für Ideen haben Sie da?
Werner: Zum Beispiel reiht sich dieser "Urban Christmas Prayer" in eine Reihe rein, die wir produziert haben: Das "Urban Morning Prayer", das "Urban Evening Prayer" und das "Urban Night Prayer". Das ihn auch Andachtsformate, die mit elektronischer Musik, Dub oder Hip-Hop arbeiten - mit urbanem Sound.
Die sind dann über Spotify und übers Smartphone quasi für jeden abspielbar und hörbar. So kann man Andachten an jedem Ort halten, den man nutzen möchte. Man kann sich auch im Freien irgendwo zusammentun und das machen.
Wir haben auch immer eine Andacht produziert, die man einfach hören kann, wenn man in der Bahn zur Arbeit sitzt, oder auf dem Weg nach Hause ist. Das ist die Idee dahinter. Solche Sachen machen wir da.
DOMRADIO.DE: Diese Leidenschaft für Musik, die in ihre ganze Arbeit mit rein spielt, kommt ja nicht von ungefähr. Sie haben für einen Pastor einen nicht ganz so gewöhnlichen Hintergrund. Sie werden auch gerne "Punk-Pastor" genannt, denn Sie waren als Trompeter eine Hamburger Ska-Punk-Band auf Tour. Woher kam da die Entscheidung, Pastor zu werden?
Werner: Ich hatte einen Zick-Zack-Weg. Ich bin auch noch Mitglied der Rantanplan. In Köln sind wir auch immer wieder im Underground - das gibt es ja nicht mehr - in der Chemiefabrik oder im Sonic Ballroom aufgetreten. Die Kölner sind tolles Ska-Punk-Publikum.
Beim beim Musikmachen, egal ob es jetzt Punkrock war oder Kirchenmusik, da hab ich schon ab und zu auf Tour so Momente erlebt, die hatte ich selber nicht in der Hand, wo einfach so ein Funke übergesprungen ist. Wo sich Menschen, die sich vorher nicht kannten, sich auch ohne Worte miteinander auf eine Ebene begeben haben. Das waren für mich so richtige Gottes-Momente, in denen man für einen kurzen Moment in die Unendlichkeit gehoben wurde. Deswegen ist für mich Musikmachen immer auch ein spirituelles Erlebnis.
Von daher hat sich das ganz gut mit dem Pastorendasein kombiniert, weil ich jetzt eine Chance habe. Ich weiß, ich hab's nicht in der Hand, diese Momente immer zu produzieren. Aber ich kann über die Musik, die ich mache, versuchen, Räume zu eröffnen, wo vielleicht mal ein bisschen Heiliger Geist wehen kann. Und dafür, für diese Momente, habe ich schon immer gelebt. Das war das, wofür ich eigentlich gebrannt habe und wofür ich auch immer schon Musik gemacht habe.
Das andere ist: Als Punker war für mich immer wichtig, dass alle auf Augenhöhe miteinander agieren. In ihrem Scheitern, mit ihrem Licht an ihrem Schatten. Und das hat die evangelischen Kirche gut abgebildet. Dieses lutherische "Wir sind alle Sünder und Heiliger zugleich". Von daher war das für mich nie ein Widerspruch, Pastor zu werden. Wobei ich auf meinem Weg dorthin das Studium auch mal abgebrochen habe. Ich habe mir einen Bauwagen geholt, bin nach Kassel gezogen und habe in einer Bäckerei gearbeitet, weil zumindest das Studium sehr theoretisch war. Aber irgendwas hat mich dann zurückgezogen. Ich glaube, bei mir ist viel über das Gefühl gegangen.
Das Interview führte Julia Reck.