Unter der Hand hatte es im Vatikan bisher oft geheißen: Nach 2020 fallen auch im kommenden Jahr Auslandsreisen des Papstes komplett aus. Der Weltjugendtag in Lissabon war pandemiebedingt gar von 2022 auf 2023 verlegt worden. Und nun will Franziskus vom 5. bis 8. März in den Irak reisen? Immerhin wäre es der erste Besuch eines Papstes in dem arabischen Land.
Johannes Paul II., dem Rekordhalter päpstlicher Auslandsreisen, war bei 104 Visiten in insgesamt 127 Länder der Irak nie vergönnt. Nun also Franziskus. Auch er will schon lange ins Zweistromland reisen; wegen der Sicherheitslage dort riet ihm sein Umfeld immer wieder ab. Dann kam Corona und legte auch vieles andere auf Eis. Warum nun doch?
Christen in der Minderheit
Was Papstreisen in der Pandemie gefährlich macht, sind Menschenansammlungen. Papst-Messen und gesäumte Straßen mit Zigtausenden wären "Super-Spreader-Events". Im Irak ist damit nicht zu rechnen. Waren Christen schon früher eine Minderheit, so sind seit den Irak-Kriegen und dem Terror der IS-Milizen in den vergangenen Jahren fast zwei Millionen Christen geflohen.
Schätzungsweise sind aktuell noch ein Prozent der Menschen im Irak Christen; das Statistische Jahrbuch des Vatikan nennt für Ende 2018 als aktuellster Zahl 568.000 Katholiken. Da sind nicht unbedingt Massenaufläufe zu erwarten, zumal Sicherheitskräfte und Pandemiebestimmungen das Land fest im Griff haben.
Andererseits will Franziskus neben der Hauptstadt Bagdad auch jene Orte besuchen, in denen die wenigen Christen vor allem leben: Karakosch, wohin nach dem IS-Terror viele zurückkehren, Erbil und Mossul im Norden, wohin viele geflohen sind. Diese werden es sich nicht nehmen lassen, den Papst live zu sehen. Zumal er vor allem ihretwegen käme.
Papstreise in ungewissen Pandemie-Zeiten
Die sich entwickelnde Pandemie wird bestimmen, wie großzügig Gottesdienste und Papamobil-Touren ausfallen können. Unter den knapp 39 Millionen Irakis forderte das Coronavirus bislang mehr als 12.400 Todesopfer, soweit die bekannten Zahlen. Andererseits: Wer im Irak Kriege, Terror, Flucht und Armut überlebt hat, wird sich wegen des Virus kaum übergroße Sorgen machen, wenn er die Chance hat, den Papst möglichst nah zu erleben.
Interreligiöse Bedeutung
Eine Visite in Ur, nahe der heutigen Stadt Nasiriya im Südosten des Irak, wäre eine päpstliche Reverenz an den Stammvater von Juden, Christen und Muslimen. Bevor Abraham gen Westen ins gelobte Land aufbrach, lebte er laut biblischer Überlieferung in Ur, heute mit 6.000 Jahren Siedlungsgeschichte einer der ältesten Orte im Zweistromland.
Der Besuch zeigt auch, wie sehr Franziskus daran gelegen ist, in der arabischen Welt den interreligiösen Dialogs voranzutreiben. Bei dem Besuch könnte er an die Unterzeichnung des "Dokuments über die Brüderlichkeit aller Menschen" Anfang 2019 in Abu Dhabi sowie an seinen anschließenden Besuch in Marokko anknüpfen. Da zwei Drittel der irakischen Muslime Schiiten sind, böte sich zudem Gelegenheit, die Initiative auf diese muslimische Konfession auszuweiten.
Sollte die Irak-Visite im März tatsächlich stattfinden, wäre sie die erste Auslandsreise des Papstes seit seinem Aufenthalt in Thailand und Japan Ende November 2019. Die Tatsache, dass der Vatikan die Reise jetzt, mitten in der zweiten Pandemiewelle, bekanntgibt, ist bemerkenswert und ein starkes politisches wie kirchliches Zeichen. Schon als solches stützt es die Reformbemühungen des neuen schiitischen Ministerpräsidenten Mustafa al-Kadhimi.
"Wie ein neues Weihnachten"
Für die Christen im Land klingt diese Meldung mitten im Advent wie die "Schritte eines Freudenboten", von denen biblische Lesungen in der Vorweihnachtszeit berichten. Die geplante Reise sei für die Christen vor Ort "wie ein neues Weihnachten", so Bagdads Patriarch Louis Raphael I. Sako aus Bagdad im Gespräch mit Radio Vatikan. Die Reise sei "ein mutiger Akt, vor allem in diesem Moment".
Auch deshalb weist die vatikanische Ankündigung vom Montag darauf hin, man müsse die weitere Entwicklung der Pandemie berücksichtigen. Ein genaues Programm folgt daher erst "zu gegebener Zeit".