DOMRADIO.DE: Pater Nikodemus, als Sie letzte Woche beim Papst angefragt haben, ob er sie empfängt, hätten Sie wahrscheinlich mit allem Möglichen gerechnet, aber nicht mit einem so schnellen "Ja", oder?
Pater Nikodemus Schnabel OSB (Studienpräfekt des Theologischen Studienjahres Jerusalem): Ja, das ist richtig. Meine jüdischen Freunde in Israel sagen immer, so "Chuzpe" ist eine wichtige Sache – einfach mal so eine gesunde Form von Mut, von vielleicht Unverfrorenheit. Und tatsächlich: Manchmal kommt man zum Erfolg.
DOMRADIO.DE: Wie lief das ab, so unter Corona-Bedingungen mit dem Papst?
Pater Nikodemus: Wir waren in der Sala Clementina, also quasi in einem komplett überdimensionierten Raum, wo gut und gerne unter normalen Bedingungen 200 oder 300 Leute reinpassen. Also wir hatten wirklich mehr als genügend Abstand. Wir waren eine sehr kleine Gruppe. Die Plätze waren wirklich sehr weit auseinander gestellt. Natürlich hatte jeder eine Maske auf, die Hände wurden desinfiziert und es gab Temperaturmessungen. Da wurde schon darauf geachtet, das ist ja klar.
DOMRADIO.DE: Sie hatten jede Menge Fragen vorbereitet zur Ökumene, zum interreligiösen Dialog, zur Situation der Kirche in Deutschland, zum Verhältnis von Religion und Politik – und auch wie Franziskus seinen Glauben ganz persönlich sieht. Konnten Sie da über das ein oder andere ins Gespräch kommen oder gab es da nur Input von Franziskus?
Pater Nikodemus: Es gab sozusagen zwei Teile. Es ist natürlich schon so, dass eine Audienz beim Papst immer mit sehr viel Protokoll verbunden ist. Das ist jetzt nicht so ganz so locker. Das war aber auch absehbar. Da wird natürlich auch sehr viel darauf Wert gelegt, dass man viele Sachen beachtet. Unter Corona ist das auch selbstverständlich, dass man da nicht einfach in der Gegend rumläuft oder alle auf den Papst draufstürzen.
Er hat eine Rede gehalten, die fand ich sehr berührend, weil sie eine absolute Ermutigung war und genau unsere Punkte eigentlich angesprochen hat. Er hat gesagt: Ja, also Ökumene – macht das weiter. Interreligiöser Dialog – macht das weiter; auch der Dialog mit einer Welt, wo Glaube vielleicht immer unverständlicher wird. Er hat natürlich auf seine ganz aktuelle Enzyklika "Fratelli tutti" verwiesen. All das war schon Rückenwind pur.
Und was ich sehr berührend fand, er hat mich dann auch selbst zitiert. Da habe ich mich sehr gefreut. Ich habe ihm mal einen Brief geschrieben, dass wir hier so "im Exil sind in Rom." Da hat er gesagt: Ja, Sie sind hier im Exil. Sie wollten eigentlich nach Jerusalem und ich wünsche Ihnen, dass sie vom Exil ins gelobte Land kommen. Gerade Weihnachten geht der Blick ja nach Bethlehem in die Krippe. Aber bleiben Sie einfach auch im Exil Ihrer Richtung treu: Ökumene, Dialog mit Judentum, Islam, Neugier für die Ostkirchen, Archäologie, Bibel. Das war schon sehr viel Rückenwind.
Dann gab es eine Begrüßung, dass jeder zum Papst gehen konnte. Und damit das Protokoll nicht so steif wird, hatten wir dann noch eine Idee. Beim Gruppenfoto haben wir dann gesagt: Okay, der Papst hatte am Donnerstag Geburtstag – da haben wir dann "Viel Glück und viel Segen" gesungen. Natürlich haben wir dabei den Abstand gewahrt und die Maske aufbehalten – alles coronakonform. Aber da hat man gemerkt, er ist dann aufgestanden, hat sich umgedreht und dann wirklich gestrahlt. Da hat man gemerkt, das hat ihm gefallen.
Wir haben ihm noch ein Gastgeschenk gegeben, nämlich das Regenbogenkreuz. Das ist das Logo unseres Studienjahres und der der Dormitio-Abtei, ein altes Pilgerzeichen. Das ist ein Kreuz, ein Regenbogen, unter dem dann ein Kreuz ist mit zwölf Enden. Und das ist dieser dreifache Bundessschluss Gottes mit seinem Volk. Einmal eben der Regenbogen mit Noah, dann die 12 Enden, die für die zwölf Stämme Israels stehen mit Abraham und dann eben das Kreuz, Jesus Christus. Und das hat ihm auch getaugt. Das ist aus Bethlehem und gearbeitet aus Olivenholz. Da hat er schon gelächelt und auch nachgefragt. Wir haben ihm ein Gruppenfoto von uns geschenkt und noch einen Geburtstagsbrief. Man hat dann gemerkt, das hat ihm sehr gefallen. Das war dann eben dieser zweite, sehr menschliche Teil.
DOMRADIO.DE: Wer war denn nervöser vorher? Die evangelischen oder katholischen Studierenden?
Pater Nikodemus: Ich glaube, für die evangelischen Studierenden war das eine ganz spannende Erfahrung, natürlich mal in diese auch andere Welt einzutauchen. Wir haben natürlich viel drüber geredet, was ich auch wirklich schön fand. Es wurde auch gesagt bei der Begrüßung, dass wir evangelische und katholische Studierende sind und das es eine ökumenische Gruppe ist, die gemeinsam auf dem Weg ist. Das hat der Papst auch gewürdigt. Und da muss ich sagen, das ist schon ein starkes Zeichen, dass wir jetzt wirklich sagen können: Von ganz oben haben wir wirklich jetzt noch mal eine Ermutigung bekommen und wirklich ein grünes Licht. Mehr als ein grünes Licht eigentlich, sondern auch die Aufforderung, wir sollen treu bleiben unserem Programm und unserer Ausrichtung.
Das wir wirklich sagen: Ja, wir machen weiter mit der Ökumene, mit Dialog. Das finde ich, ist schon nicht nichts – in einer Zeit, wo man das Gefühl hat, dass Ökumene doch eher so ein Thema ist, was vielleicht nicht mehr ganz so präsent ist. Nun zu sagen: Ja, ihr jungen Generationen, macht mal weiter.
Ich habe danach mit unseren evangelischen Studierenden gesprochen, die das sehr berührend fanden. Und sie fanden auch berührend, dass der Papst bei einer kurzen Gebetsstille wirklich jedem gesagt hat, und gerade auch vielen evangelischen Studierenden: Bitte betet für mich. Ich habe gemerkt, das hat schon unsere Studierenden berührt.
DOMRADIO.DE: Sie sind als Studienpräfekt ja auch so ein bisschen für die Freizeitgestaltung zuständig. Meinen Sie, die Begegnung mit dem Papst können Sie noch toppen?
Pater Nikodemus: Wir machen am Samstag die Sieben-Kirchen-Tour. Ich sage mal so als geistlichen Verdauungsspaziergang. Ich glaube, so eine Begegnung, die musste sich erst einmal setzen. Da gehen auch sehr viele mit, die berühmte Sieben-Kirchen-Tour. Auch sonst genießen wir gerade Rom, muss man ehrlich sagen. Wir sind zwar hier im Exil, aber in einem Exil, wo es sich gut leben lässt, weil wir wirklich unter uns sind.
Es gibt ja keinen Tourismus, keine Pilger. Wir feiern sehr häufig am Petrusgrab Gottesdienst. Wir feiern einen wunderschönen Kirchengottesdienst immer für uns allein. Rom ist leer. Das ist auch faszinierend. Wir erleben mit Rom jetzt wirklich eine Stadt, die man geistlich auch ohne Trubel, ohne Rummel, ohne Massentourismus erleben kann. Das ist schon auch eine Gnade, muss man ehrlich sagen.
Das Interview führte Gerald Mayer.