Die "Büchse der Pandora" sei nun geöffnet, schreibt der Kärntner "Sonntag". Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) sei einem Zeitgeist gefolgt, "der eher ein Ungeist ist". Denn weitere ähnliche Prozesse würden folgen. "Ist die Türe einmal ein Stück weit offen, braucht es nicht mehr viel Energie, um sie ganz aufzustoßen. Dann haben wir auch in Österreich Verhältnisse wie in Belgien oder den Niederlanden", so das Blatt. Schon jetzt stelle sich die Frage, wann der Druck auf Menschen mit schweren Erkrankungen steigen werde, wann die Hilfe nicht mehr in der Begleitung, "sondern in der Beendigung des Lebens liegt". In Würde sterben bedeute, "dass man begleitet, nicht getötet wird".
In den 16 Minuten seiner Urteilsverkündung habe VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter 16 Mal "freie Selbstbestimmung" gesagt, erinnert die Kirchenzeitungs-Kooperationsredaktion in ihrem Kommentar. Unnötigerweise, sei doch Selbstbestimmung immer frei. "Wer etwas so häufig wiederholt, ist sich selbst nicht sicher." Es sei denn auch ein Ideal, dem kaum ein Realfall entsprechen werde, dass Selbsttötung "aus völlig freier Selbstbestimmung und aus einem dauerhaften, aufgeklärten, informierten Willensentschluss reift", so die Kommentatorin. Dasselbe gelte allerdings auch auf der anderen Seite der Skala - für die "Idee, dass die Menschen behütet, begleitet und umsorgt in einem natürlichen Entkräftungsprozess friedlich aus dem Diesseits ins Jenseits gleiten". Es brauche keine Ideale, sondern "kräftige Zukunftsbilder" wie "eine Welt, in der sich Menschen nicht nach dem Tod sehnen müssen". Auf dieses weite Ziel gelte es hinzuarbeiten.
Sachliche Argumentationen statt emotionaler Debatten
Wie wohl die Kirche als bislang vehementeste Gegnerin der Sterbehilfe die politische Debatte um die nun notwendigen Regelungen im kommenden Jahr begleiten wird, fragt sich das "Vorarlberger Kirchenblatt". Und gibt sogleich Empfehlungen: "Sachliche Argumentationen scheinen erfolgversprechender als emotionale Debatten." Was die Kirche auf jeden Fall könne: mithelfen, gesellschaftlich klar zu machen, welche Herausforderung eine schwere oder tödliche Krankheit für einen Menschen und seine Angehörigen sei - und wie diese gut begleitet werden könnten. Jedes Lebensende soll als "immer noch möglichst großes Geschenk und möglichst geringe Last" erlebt werden.
"Wenn wir als Gesellschaft den Respektabstand vor dem Tod verlieren, drohen wir ihn auch vor dem Leben zu verlieren", mahnt der Wiener "Sonntag". Die bisherige Regelung, bei der das Leben so wertvoll und unantastbar erachtet wurde, "dass auch die Vernichtung durch die eigene Hand nicht als eine gute Tat angesehen wird, an der sich andere straflos beteiligen dürfen", sei eindeutig besser gewesen als die künftige, von den Höchstrichtern verordnete. Sich dem Leben auch in schweren, leidvollen und verzweifelten Situationen zu stellen und es zu bejahen, bezeichnet das Blatt als eine "Pflicht, die jeder einzelne zum Wohl aller hat". Selbstvernichtung sei eine "ungeheuer traurige Antwort auf Sinn- und Hoffnungslosigkeit", so das Blatt. "Ein menschenwürdiges Sterben ist sie nicht."