Debatte über mögliche "Sonderrechte" für Corona-Geimpfte

Verdrehte Tatsachen?

In der Debatte um eine mögliche Aufhebung von Corona-Beschränkungen für Geimpfte haben Hans-Jürgen Papier, ehemals Präsident des Bundesverfassungsgerichts, und Rupert Scholz vor einer Verletzung von Grundrechten gewarnt.

Autor/in:
Leticia Witte
Symbolbild Impfen / © Guido Kirchner (dpa)
Symbolbild Impfen / © Guido Kirchner ( dpa )

Papier sagte der "Bild"-Zeitung (Mittwoch): "Sobald gesichert ist, dass von Geimpften keine Ansteckungsgefahr mehr ausgeht, gibt es verfassungsrechtlich keine Legitimation mehr, die Betroffenen in ihren Grundrechten weiter zu beschränken." Er habe "verfassungsrechtliche Bedenken, wenn der Staat Privaten vorschreibt, welche Privilegien sie gewähren dürfen - solange diese nicht zur Verschärfung des Infektionsgeschehens führen", erklärte Papier.

Ex-Bundesminister Scholz sagte: "Wer jetzt sogar per Gesetz angebliche 'Sonderrechte' oder 'Privilegien' für Corona-Geimpfte verhindern will und sich dabei auf die Solidarität mit Noch-nicht-Geimpften beruft, verdreht die Tatsachen. In Wahrheit geht es nicht um Solidarität, sondern um die Frage, ob Bürger, die nachweislich nicht mehr ansteckend sind, weiter bevormundet werden sollen."

Unübersichtliche Lage

Ulrich Battis, Verfassungsrechtler an der Humboldt-Universität in Berlin, sagte, er gehe davon aus, dass zunächst dieselben Regeln weitergelten. Er sagte der "Passauer Neuen Presse" (Mittwoch): "Für konkrete Maßnahmen in diesem Bereich ist es noch zu früh. Noch ist die Lage unübersichtlich." Es gebe nur wenige Geimpfte, und der Impfstoff sei knapp. Über die genaue Wirkung des Impfstoffs herrsche noch keine Klarheit. In Deutschland gelte im Übrigen das Diskriminierungsverbot und der Schutz der Privatsphäre.

Eine mögliche Ungleichbehandlung von Geimpften und Ungeimpften sei eine sehr schwierige Frage. "Wenn in Zukunft die Mehrheit geimpft sein wird und nur noch eine kleine Minderheit nicht, könnte man darüber diskutieren, ob es unterschiedliche Beschränkungen gibt." Corona-Impfungen per Verordnungen zu regeln, halte er für eine gute Regelung.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte bei "Bild Live", er sei "selbst hin- und hergerissen". Mit Blick auf Gaststätten oder Konzerte sagte er: "Ich finde schon, dass da ein Unterschied ist zwischen dem staatlichen Handeln oder eben öffentlicher Daseins-Vorsorge: U-Bahn, S-Bahn, wie verhalten sich da alle Beteiligten? Oder ob jemand eben sagt auch im privat-gewerblichen, er möchte eben nur für Immune öffnen oder nicht."

Pflegekräfte sollen geimpft werden

Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, rief die Pflegekräfte auf, sich gegen Corona impfen zu lassen. "Nach derzeitigem Kenntnisstand sind etwa 95 von 100 geimpften Personen vor einer Erkrankung geschützt", sagte er der "Rheinischen Post" (Mittwoch). Man habe richtigerweise festgelegt, dass ältere Menschen und Menschen, die aufgrund ihrer Berufstätigkeit Kontakt zu besonders durch Covid-19 gefährdeten Personen haben, zuerst geimpft werden.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach erklärte, dass Personal zur Impfung gezwungen werden könne. "Mit dem Infektionsschutzgesetz gäbe es zwar eine rechtliche Grundlage dafür, dass Altenheime und Krankenhäuser ihr Personal zu einer Impfung zwingen. Aber die Bundesregierung hat versprochen, dass es keine Impfpflicht geben wird. Dabei wird es bleiben, und das ist auch richtig", sagte Lauterbach der "Rheinischen Post".


Quelle:
KNA
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