Uni Graz startet Pilotprojekt zu christlich-muslimischem Religionsunterricht

"Dialogfähig werden"

Nicht übereinander, sondern miteinander reden: Das ist die Idee eines Projektes in Graz, bei dem katholische und muslimische Kinder und Jugendliche stundenweise gemeinsam unterrichtet werden. Ein Projekt, das nicht nur Beifall findet.

Religionsunterricht / © Elisabeth Schomaker (KNA)
Religionsunterricht / © Elisabeth Schomaker ( KNA )

DOMRADIO.DE: Die Idee hinter einem konfessionellen Religionsunterricht ist ja, dass Jugendliche nicht nur trockene Fakten lernen, sondern eben auch einem Bekenntnis nahegebracht werden. In Deutschland gibt es schon Konflikte um ökumenischen Religionsunterricht. Interreligiös geht noch einen Schritt weiter. Wie stellen Sie sich das denn vor?

Prof. Wolfgang Weirer (Professor am Institut für Katechetik und Religionspädagogik der Universität Graz): Unsere Idee ist es in keiner Weise, den konfessionellen Religionsunterricht abzuschaffen, abzulösen oder grundsätzlich in Frage zu stellen. Unsere Idee ist es vielmehr, in gewissen Phasen den konfessionellen Religionsunterricht zu erweitern um interreligiöse Phasen. Geschuldet ist das Ganze natürlich im Grunde der demografischen Situation, die sich von der Geschichte her wahrscheinlich in Österreich jetzt auch noch mal ein klein wenig von der in Deutschland unterscheidet.

Wenn sie vom ökumenischen Religionsunterricht sprechen: Bei uns ist die evangelische Kirche in einer ganz starken Diaspora-Situation. Aber wir haben es in den letzten 15, 20, 25 Jahren mit einem deutlich stärker werdenden Anteil an muslimischen Schülerinnen und Schülern in den Schulen im Religionsunterricht auch zu tun. Und wir haben bereits in Österreich auch seit 1982 islamischen Religionsunterricht an den Schulen. Ursprünglich in ganz kleinem Ausmaß, aber mittlerweile auch stark ausgerollt.

DOMRADIO.DE: Das Ganze ist ein Pilotprojekt. Was soll denn dabei herauskommen? Wünschen Sie sich, dass in Zukunft dann überall interreligiös unterrichtet wird?

Weirer: Die Idee ist grundsätzlich, dass Kinder nicht nur in der Pause, nicht nur im Pausenhof, nicht nur in der Straßenbahn oder wo auch immer religiöse Pluralität erleben, sondern auch im Kontext des Religionsunterrichts über religiöse Vielfalt ins Gespräch kommen können. Nicht nur - das ist der Clou unseres Projekts - nicht nur im Modus des Redens über andere, da haben wir ja lange Tradition, sondern auch in der ganz konkreten Begegnung.

Wir haben allererste Erfahrungen an einigen wenigen Standorten bislang gemacht und wollen das eben jetzt ein kleines bisschen größer ausrollen. Unser Projekt sieht vor, dass christliche und islamische Schülerinnen gemeinsam von einem christlichen - im konkreten Katholischen - Religionslehrer und einer islamischen Religionslehrkraft unterrichtet werden, im "Team-Teaching". Da ist uns auch diese Begegnung, dieses Gespräch zwischen den beiden institutionellen Vertretern, Vertreterinnen der Religionen ganz, ganz wichtig.

Das heißt, dass Kinder und Jugendliche im schulischen Kontext begleitet erleben: Ich kann wertschätzend, offen mit Vertretern, Vertreterinnen anderer Religionen über deren religiöse Überzeugungen ins Gespräch kommen. Über Gemeinsamkeiten: Wir haben ganz viele Gemeinsamkeiten. Wir haben eine breite gemeinsame Basis. Aber es gibt natürlich auch wesentliche Unterschiede. Und auch über diese Unterschiede kann man ins Gespräch kommen, ohne dass etwas Fürchterliches passiert. Das ist ganz wichtig.

DOMRADIO.DE: Nun läuft der Dialog zwischen den Religionen ja nicht immer konfliktfrei. Das ist auch vollkommen klar. Was haben Sie denn für Reaktionen auf dieses Projekt bisher bekommen?

Weirer: Die Reaktionen sind, wie Sie sich vorstellen können, sehr breit und unterschiedlich. Wir haben von Leuten aus dem Bildungsbereich, vor allem auch von Schulleiterinnen, sehr, sehr positive Reaktionen, also von Leuten, die tatsächlich im Kontext schulischer Bildung arbeiten und stehen. Aber natürlich, das will jetzt überhaupt nicht unter den Teppich kehren, gibt es auch kritische bis sehr kritische Reaktionen. Einerseits aus dem politisch eher rechten Lager, andererseits durchaus auch aus innerkirchlichen Kreisen, wo Ängste artikuliert werden, die ich ein Stück weit auch verstehen kann.

Was passiert da jetzt, wenn unsere christlichen Kinder sogar im Religionsunterricht nicht mehr über katholische Religion, nicht das Christentum unterrichtet werden, sondern auch über den Islam? Ein islamischer Religionslehrer scheint also für manche Personen tatsächlich auch nach wie vor ein Bedrohungsbild in der Auseinandersetzung mit den eigenen Kindern zu sein.

Da kann ich den Menschen dann tatsächlich Ängste nehmen. Es wird niemandem etwas übergestülpt. Es wird keiner Schule etwas übergestülpt, es wird keinen Eltern, keinen Kindern etwas übergestülpt. Die Teilnahme an diesem Projekt ist total freiwillig und wird von uns – von der Universität – begleitet. Das sind alles Lehrer, denen es darum geht, tatsächlich Kinder und Jugendliche auf ihrem Weg, ihrer religiösen Orientierung in der Art und Weise zu begleiten, dass sie dialogfähig werden, dass sie mit Menschen anderer Überzeugungen, anderer religiöser Orientierungen gut und wertschätzend und offen ins Gespräch kommen.


Quelle:
DR
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