Erneut Rufe nach Reformen der US-Todesstrafe

Debatte über Schicksal eines unschuldig Hingerichteten

In 139 Fällen steht der Verdacht im Raum, dass staatliche US-Henker im Namen des Volkes Unschuldige hingerichtet haben. Das Schicksal Sedley Alleys könnte das ändern und helfen, die Todesstrafe in den USA abzuschaffen.

Autor/in:
Thomas Spang
Hinrichtungsraum in den USA / © Kiichiro Sato (dpa)
Hinrichtungsraum in den USA / © Kiichiro Sato ( dpa )

Es war 2011, als das Verfassungsgericht von Tennessee die Entscheidung einer niederen Instanz kassierte, die dem wegen Mordes zum Tode verurteilten Sedley Alley das Heranziehen von DNA-Beweisen verweigert hatte. Doch die Entscheidung kam fünf Jahre zu spät für den Mann, den der Bundesstaat 2006 mit einem Giftcocktail ins Jenseits befördert hatte.

Den Interessen der Opfer nicht gedient

Der Fall wird nun noch einmal neu von den Angehörigen vor Gericht aufgerollt, weil es starke Beweise gibt, dass ein Unschuldiger für einen Mord mit seinem Leben büßte. In der ersten Instanz verlor Tochter April ihre Klage mit der formalen Begründung, sie könne ihren toten Vater nicht vor Gericht vertreten. Die Möglichkeit, das Rechtssystem anzugreifen, "endet mit dem Tod eines Gefangenen", argumentierte der Chefankläger des Bundesstaates Tennessee.

Mit dem früheren Justiziar des damaligen Präsidenten George W. Bush im Weißen Haus, Paul Clement, hat April Alley nun einen starken Verbündeten an ihrer Seite. Es sei angesichts der Geschichte dieses Falls völlig "unverständlich", so der Star-Anwalt, wie man gegen den Gebrauch von DNA-Beweisen sein könne, wenn das einzige Argument dafür sei, dass der Staat Alley bereits hingerichtet habe. Den Interessen der Opfer "ist nicht damit gedient, wenn die falsche Person hingerichtet wurde und der Täter auf freiem Fuß bleibt", sagte Clement.

Geständnis nach zwölf Stunden Verhör

Tatsächlich weist der Fall "Alley" von Anfang an schwere Defizite auf. Die Polizei hielt den zum Zeitpunkt der Tat 29 Jahre alten Ex-Soldaten in seinem Kombi an, nachdem Zeugen das Fahrzeug in der Nähe einer Kaserne in Shelby County beobachtet hatten. Unweit von dort fanden Beamte die Leiche der 19-jährigen Suzanne Collins; die Gefreite des Marine-Corps war beim Joggen überfallen, vergewaltigt und umgebracht worden.

Der Verdacht fiel auf Alley, der mit seiner Frau in der Kaserne lebte und wegen Alkohol und Drogen unehrenhaft die Streitkräfte verlassen musste. Bei seiner Vernehmung sagte er zunächst aus, nicht zu wissen, wer die Ermordete sei. Nach zwölf Stunden Verhör unterschrieb er ein Schuldeingeständnis, das er kurz darauf als "erzwungen" widerrief.

Von Geschworenengericht für schuldig erklärt

Die Ermittlungen beförderten keine Beweise für seine Täterschaft zu Tage. Es fanden sich weder Fingerabdrücke, Haar- oder Blutreste des Opfers am Auto oder an Alley oder seiner Kleidung. Die Reifenspuren in der Nähe des Tatorts stimmten nicht überein und ein anderer Augenzeuge hatte einen sehr viel kleineren Mann mit anderer Haarfarbe beobachtet.

Geholfen hatte Alley all das nicht. Die Geschworenen erklärten ihn 1985 trotzdem für schuldig, und ein Richter verhängte die Höchststrafe.

Tochter wollte die Wahrheit wissen

2001 verabschiedete der Bundesstaat Tennessee ein Gesetz, das es Gefangenen erlaubt, DNA-Tests und Screenings öffentlicher Datenbanken zu verlangen. Voraussetzung dafür ist die plausible Vermutung, so die Unschuld nachweisen zu können. Doch ein Berufungsgericht wies den Antrag Alleys mit der Begründung zurück, er habe keine "naheliegende Wahrscheinlichkeit" aufgezeigt.

Tochter April, die ihren Vater regelmäßig im Todestrakt besuchte, wollte von ihm die Wahrheit wissen. "Hast Du es getan?" Er würde sich nicht gegen seine Hinrichtung wehren, wenn es so wäre, versicherte ihr Alley. Dies lasse sich durch DNA leicht beweisen oder ausschließen.

Potential für das Ende der Todesstrafe

Doch der Bundesstaat Tennessee richtete ihn hin, bevor das Oberste Gericht in einem vergleichbaren Fall das Recht von Gefangenen auf DNA-Tests ausweitete. Zu spät für Alley, aber nicht für seine Tochter April, die nun Gerechtigkeit verlangt, nachdem ein Mann aus St. Louis in den Verdacht geraten ist, der eigentliche Täter zu sein.

Für den Gründer des "Innocence Project", Barry Scheck, könnte dies ein Wendepunkt in den anhaltenden Debatten um Hinrichtungen sein: Er ist sich sicher, dass der Fall "Alley" das Potential hat, "das Ende der Todesstrafe in den USA zu beschleunigen". Wenn das Gericht 15 Jahre später DNA-Ermittlungen zulässt, könnte das erste Mal der Beweis erbracht werden, dass der Staat nachweislich einen Unschuldigen getötet hat.


Hände hinter Gefängnisstäben / © sakhorn (shutterstock)
Hände hinter Gefängnisstäben / © sakhorn ( shutterstock )
Quelle:
KNA
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