Sprecher der Caritas-Dienstgeber setzt auf Pflegekommission

"Das hat gesellschaftlich eine ganz andere Akzeptanz"

Die Arbeitsrechtliche Kommission der Caritas hat der Einführung eines bundesweiten Tarifvertrags in der Altenpflege die Zustimmung verweigert. Der Sprecher der Caritas-Dienstgeber, erklärt, warum es zu der Entscheidung kam.

Altenpflege in Corona-Zeiten / © Olena Yakobchuk (shutterstock)
Altenpflege in Corona-Zeiten / © Olena Yakobchuk ( shutterstock )

KNA: Die Caritas zahlt seit Langem in vielen Bereichen höhere Löhne, als der vorliegende Tarifvertrag von BVAP und Verdi vorsieht. Warum haben Sie das Vorhaben, diesen flächendeckend auszudehnen, trotzdem abgelehnt?

Norbert ​Altmann (Sprecher der Caritas-Dienstgeber): Zunächst einmal ist es richtig, dass wir als Caritas sehr gute Löhne zahlen. Bei uns werden Krankenhäuser und Altenhilfe gleich vergütet. Das Problem ist aber: Die vereinbarten Vergütungen greifen in unsere Tarifstruktur ein. Wir haben durchaus Vergütungen in der Altenhilfe, die nicht höher sind als das, was der Tarifvertrag beschreibt. Das heißt, dass wir an der Stelle heftig nachbessern müssten. Es geht um plus zehn Prozent bei einzelnen Tätigkeiten.

Des Weiteren haben wir in der Region Ost einen Weg beschritten, um die Gehälter an das Westniveau anzupassen. Dieser würde durch den Tarifvertrag konterkariert. Andere wichtige Elemente für bessere Bedingungen wie die Arbeitszeiten wurden hingegen nicht angegangen.

KNA: BVAP und Verdi verweisen darauf, dass Caritas und Diakonie schon früher angehört worden seien...

Altmann: Zuerst einmal muss ich feststellen, dass unsere Entscheidung keinen Einfluss auf den Tarifvertrag zwischen BVAP und Verdi hat. Er gilt weiterhin für diese beiden Tarifpartner. Wir haben auch in den Anhörungen immer wieder darauf hingewiesen, dass wir ein großes Problem damit haben, dass der Vertrag in unsere Tarifstrukturen eingreift. Unsere Tarifstrukturen bedeuten auch, dass wir nicht nur eine Vergütungsgruppe, eine Stufe kennen, sondern bei uns die Gehälter je nach Erfahrung und Berufszugehörigkeit entsprechend ansteigen. Das bildet der Tarifvertrag nicht ab.

KNA: Nun steht die Caritas-Kommission durch ihre Ablehnung in der öffentlichen Wahrnehmung quasi an der Seite der privaten Anbieter, die mitunter deutlich schlechter zahlen. Fühlen Sie sich dort wohl?

Altmann: Wir stehen an keiner Seite von irgendwem. Wir treten für gute Vergütungen im Bereich der Pflege ein, was wir durch unser eigenes Tarifwerk beweisen. Für uns ist die Pflegekommission der richtige Weg. Dort sitzen Diakonie und Caritas gemeinsam mit einem Vertreter der Wohlfahrtsverbände und einem privaten Vertreter mit am Verhandlungstisch. Das hat gesellschaftlich eine ganz andere Akzeptanz. Der BVAP vertritt etwa 70.000 Mitarbeitende. In der Pflegekommission werden rund 60 Prozent des Gesamtmarktes vertreten, der 1,2 Millionen Beschäftigte umfasst.

KNA: Da BVAP und Verdi nur einen geringen Teil der Branche vertreten, sagen manche Beobachter auch, dass Sie doch hätten zustimmen können, damit dann die Politik entscheiden müsste, ob der Tarifvertrag ausgedehnt werden kann. Hätten Sie den Spielball lieber der Politik überlassen sollen?

Altmann: Die Grundlage, das sogenannte Pflegelöhneverbesserungsgesetz, ist nach langen Verhandlungen beschlossen worden. Wir haben als Dienstgeber diesen ganzen Prozess sehr kritisch begleitet. Diese herausgehobene Position haben wir nicht angestrebt, weil wir genau dieses Problem gesehen haben. Das Gesetz sieht aber nun einmal vor, dass die beiden Arbeitsrechtlichen Kommissionen von Caritas und Diakonie einer Allgemeinverbindlichkeitserklärung zustimmen müssen. Wir müssen diesen von der Politik zugewiesenen Auftrag entsprechend wahrnehmen. Es heißt aber nicht, dass wir zustimmen müssen. Wir haben uns diese Entscheidung auch absolut nicht leicht gemacht.

KNA: Manche Kritiker stellen nun bereits den Dritten Weg infrage, da sich die Caritas in ihren Augen bei diesem gesellschaftspolitisch wichtigen Thema querstelle. Befürchten Sie ein politisches Eigentor?

Altmann: Nein, das befürchten wir nicht. Der Dritte Weg ist in der ganzen tariflichen Auseinandersetzung der beste Weg. Wir haben einen konsensualen Prozess und klare demokratische Verfahren in diesem Bereich. Uns geht es sehr eindeutig um möglichst gute Arbeitsbedingungen in der Caritas im Bereich der Pflege. Unsere Tarifbindung liegt bei über 90 Prozent.

Zeigen Sie mir einen Bereich, wo es eine solche Tarifdurchdringung gibt, dann bin ich sofort gewillt, weiterzugehen. Es ist ja auch so, dass genau diese Tarifgemeinschaft durchaus von Gewerkschaften und Arbeitgebern abgekupfert wird, die sagen, wir wollen möglichst auf Streiks verzichten und miteinander ins Gespräch kommen, um gemeinschaftlich Lösungen zu finden. Ich glaube, das ist genau der Weg, der gesellschaftlich in der Zukunft gegangen werden muss.

KNA: Was wäre Ihrer Meinung nach dafür nötig?

Altmann: Das bedarf natürlich im Bereich des Zweiten Wegs, also der Tarifverträge, starker Gewerkschaften und starker Arbeitgeberverbände. Wir sind der Meinung, dass uns im Bereich der Pflege Tarifpluralität, also das Ringen um die besten tariflichen Bedingungen, weiterhelfen würde. Auch das bringt dieser allgemein verbindliche Tarif an keiner Stelle mit.

KNA: Es gibt nun drei Möglichkeiten: einen neuen Anlauf für einen Tarifvertrag, die Pflegekommission oder den Vorschlag von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), die Refinanzierung durch die Pflegeversicherung an eine Tarifbindung zu knüpfen. Alles eher langwierig. Was sagen Sie Pflegekräften, die heute schlecht bezahlt werden?

Altmann: Ich möchte dahingestellt lassen, ob sie schlecht bezahlt sind. Wir haben eine Ost-West-Angleichung gemacht und haben 12,55 Euro für Hilfskräfte ab 2022, das liegt wesentlich über dem allgemeinen Mindestlohn. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) scheint im Übrigen durchaus gewillt, die Kommission erneut einzuberufen. So könnten die Beteiligten die Arbeitsbedingungen in der Pflege weiterentwickeln. Das muss schnellstmöglich geschehen.

Im Übrigen halten wir auch den vom Gesundheitsminister skizzierten Weg, die Refinanzierung durch die Pflegeversicherung künftig abhängig zu machen von einer Tarifbindung, für einen guten. Der würde aber trotz allem weiterhin bedeuten, dass Mindestentgelte in der Pflege festgeschrieben werden müssten - und das am besten über die Pflegekommission.

Das Interview führte Alexander Riedel.


Quelle:
KNA
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