Wer als dritter Sohn einer Herrscherfamilie zur Welt kommt, hat in der Regel keine Aussichten auf den Thron. Das gilt auch für Luitpold Karl Joseph Wilhelm von Bayern, als er am 12. März 1821 in Würzburg geboren wird. Doch als "Prinzregent" geht er in die bayerischen Geschichtsbücher ein. Eine Ära ist nach ihm benannt, Brücken, Straßen, Theater, sogar eine Torte, deren acht Schichten symbolhaft für die damals acht bayerischen Bezirke stehen. Seinen Untertanen beschert der Wittelsbacher eine friedliche Zeit, in der sich Wissenschaft, Technik und Kultur entfalten können.
Nicht viel Geschichte studiert, aber viel Geschichte erlebt
Die Eltern von Luitpold sind Therese von Sachsen-Hildburghausen und Kronprinz Ludwig von Bayern. Früh begeistert sich der Spross für Mathematik, Zeichnen und Sport. Seine Lehrer sind Theologen, Germanisten, Philosophen und Maler. Schließlich schlägt er die für einen Adeligen übliche Offizierslaufbahn ein. "Zum Soldaten soll sich mein Sohn Luitpold bilden, aber auch dass er Herrscher sein kann ... Gottes Fügung kennt niemand; auch mein Vater wurde, ein Nachgeborener, König!", bestimmt Ludwig I. Sein Sohn sagt später, er habe nicht viel Geschichte studiert, aber viel Geschichte erlebt.
Tatsächlich bekommt er mit 65 ein Amt übertragen, dass es im Königreich Bayern bisher nicht gegeben hat: Er wird Prinzregent. Schon seinem kränklichen, jung gestorbenen Bruder Maximilian II. hatte er Repräsentationstermine abgenommen; auch dessen Nachfolger Ludwig II. lässt sich gern vom Onkel vertreten. Als der "Märchenkönig" für seine Schlösser immer mehr Geld braucht, droht neben der Finanz- eine Regierungskrise. Die Minister wollen nicht mehr mitmachen, und so lässt sich Luitpold in die Verantwortung nehmen.
Ein medizinisches Gutachten bestätigt, dass der Monarch nicht mehr in der Lage ist, seine Amtsgeschäfte auszuüben. Der Verfassung gemäß ist damit der Weg frei für Luitpold. Der Rangfolge nach wäre Ludwigs jüngerer Bruder Otto an der Reihe. Doch der ist wegen seiner Geisteskrankheit seit Jahren entmündigt und unter Gewahrsam gestellt.
Zur Integrationsfigur für Bayern geworden
Am 10. Juni 1886 übernimmt der verwitwete Onkel das Ruder. Als drei Tage danach Ludwig im Starnberger See ums Leben kommt, bleibt er an der Macht, auch unter Otto I. Es ist für Luitpold anfangs eine schwere Hypothek. Er sorgt sich, dass die Leute ihn als Mörder von Ludwig sehen könnten. Mehrere Tage verlässt er das Palais nur im geschlossenen Wagen. Noch 1894 soll in Garmisch eine Büste Luitpolds in die Loisach gestoßen worden sein. Doch der Mann mit dem weißen Rauschebart, der bei offiziellen Terminen meist in Uniform erscheint, wird für Bayern zu einer Integrationsfigur. Die Sympathie ist ihm sicher, wenn der "edle Fürstengreis" sich etwa leutselig beim Oktoberfest zeigt.
Legendär sind seine Jagdausflüge. Mit kurzer Lederhose, abgetragenem Janker und Gamsbart auf dem Hut geht der ausgezeichnete Schütze auf die Pirsch im Berchtesgadener Land und im Allgäu. Auch eine Entenjagd im Englischen Garten darf es mal sein. Stets mit dabei hat er seine Zigarren. Ein Dutzend soll er täglich geraucht haben. In der Residenz muss immer ein Notvorrat an Havannas gelagert werden. Gern verschenkt Luitpold im Volk eine davon, die in Familien oft wie eine Reliquie über Generationen verwahrt wird.
Unterstützer der liberalen Regierung
Zu Fronleichnam schreitet der fromme Katholik mit einer Kerze hinter dem Allerheiligsten. Zudem unterstützt er die liberale Regierung in deren Kurs gegen den politischen Katholizismus - nicht zur Freude Roms und konservativer Kreise. Luitpold fördert Reformen in allen Schularten. Wissenschaftliche Größen wie Sauerbruch und Röntgen wirken um die Jahrhundertwende in Bayern. 1906 wird der Grundstein für das Deutsche Museum gelegt. Drei Jahre zuvor öffnet Luitpold das Studium für Frauen, woran seine Tochter Therese großen Anteil hat. Sie erlernte zwölf Sprachen und forschte unter anderem auf dem Feld der Zoologie, Botanik und Geologie.
Am 12. Dezember 1912 stirbt Luitpold mit 91 Jahren. Tausende folgen dem Trauerzug. Beigesetzt wird er in der Münchner Theatinerkirche neben seiner Frau Auguste Ferdinande (1825-1864).