"Die armen Länder sind abgehängt", sagte Kohlgraf am Freitagabend bei einer digitalen Diskussionsveranstaltung der Evangelischen Akademie der Pfalz in Landau zum gesellschaftlichen Zusammenhalt in der Coronakrise. Der Mainzer Bischof ruft bei der weltweiten Verteilung von Impfstoffen gegen das Coronavirus zu mehr Solidarität auf.
Kohlgraf verteidigte zudem die Entscheidung der Kirchen, zu Beginn der Corona-Pandemie auf Präsenzgottesdienste zu verzichten, als gut und sinnvoll. "Am Anfang wussten wir noch zu wenig über das Virus", sagte er. Die Gottesdienste seien deshalb auf Rücksicht auf die Gesundheit anderer abgesagt worden.
Mehr Präsenz in Seelsorge für Corona-Patienten
Das katholische Bistum habe zu Beginn der Pandemie etliche Zuschriften bekommen, in denen Menschen ihr Unverständnis über den fehlenden Gemeindegesang ausgedrückt hätten oder forderten, die Kommunion auf andere Weise zu empfangen. Ihm habe dabei die Verhältnismäßigkeit gefehlt.
Die Kirche müsse sich künftig noch einmal kritisch die Begleitung von Sterbenden und Schwerkranken in der Pandemie anschauen. Die letzten Lebenstage vieler Menschen seien von tiefer Einsamkeit geprägt gewesen. Inzwischen habe das Bistum damit begonnen, Seelsorger für schwer kranke Corona-Patienten auszubilden und auszustatten. "Es geht um die Würde des Kranken und des Sterbenden, nicht nur um körperliche Gesundheit und Hygiene", sagte der Bischof.
Andere Notlagen sind aus dem Blick geraten
Kohlgraf erklärte, er könne durchaus nachvollziehen, dass im zweiten Lockdown die Menschen zunehmend an ihre emotionalen Grenzen stießen und ihre Rechte auch in einem schärferen Ton einforderten. "Wir müssen uns hüten, hier zu sehr moralisch zu werden", sagte er.
Wichtig sei es als Kirche für die Menschen da zu sein. Besonders die psychischen Folgen für Kinder und Jugendliche seien bisher zu wenig in den Blick genommen worden. Zudem seien andere Notlagen wie die Flüchtlinge auf dem Balkan oder das Thema Hunger in den Hintergrund geraten, so Kohlgraf. Das spürten die beiden großen kirchlichen Hilfswerke bei ihrer Arbeit, die massive finanzielle Einbrüche durch die Pandemie hätten.