Auf dem silbern dekorierten Traktorwagen sitzt Laxmi Narayan Tripathi in gelber Robe. Zwei junge Männer links und rechts fächern ihr Luft zu, während sie bei einem Umzug von einer Menschentraube inklusive Trommlern begleitet wird.
Die bekannte Transfrau, Aktivistin und Guru gehört zu einer der religiösen Sekten, die auch in diesem Jahr in Indien am größten religiösen Treffen der Welt teilnehmen. In der nördlichen Stadt Haridwar findet das Krugfest Kumbh Mela alle zwölf Jahre am Ufer des heiligen Flusses Ganges statt. Aus dem Himalaya kommend, geht der klare Strom hier in die Ebene über.
Eigentlich sollte es am 1. April losgehen
Den Zeitpunkt der Kumbh Mela bestimmen die Sterne. In diesem Jahr sollten die Festlichkeiten nach Kalender Mitte Januar beginnen, aber auch in Indien ist wegen der Corona-Pandemie vieles anders. Die Regierung hat den Starttermin für das Pilgerfest deshalb immer wieder verschoben, zuletzt auf den 1. April - ohne mit den Gläubigen zu rechnen, die längst in Haridwar sind.
Der hochrangige Mela-Verantwortliche Harbeer Singh wusste, dass der Ansturm der Gläubigen früher kommen würde. "Der Badetag zu Ehren des Gottes Shiva ist zu wichtig", sagte Singh. Da der Tag, der sich auf die Nacht bezieht, in der Shiva den himmlischen Tanz vollführt, am 11. März war, kamen bereits in dieser Woche über drei Millionen Menschen in die überschaubare Pilgerstadt Haridwar. Die meisten wollten ein Bad im Ganges nehmen. Dem Fluss wird nachgesagt, er könne von Sünden reinwaschen.
Die Kumbh Mela hat einen mythischen Hintergrund. Heiligen Schriften zufolge begannen Götter und Dämonen zu Beginn der Schöpfung mit dem "Samudra Manthan", dem Aufwühlen des Ozeans aus Milch, von dem man annahm, dass er unermessliche Reichtümer barg. Von den 14 Edelsteinen, die im Ozean gefunden wurden, war einer "Amrit", ein besonderer Nektar. Ein Schluck von diesem soll reichen, um Menschen unsterblich zu machen. Deshalb kämpften Götter und Dämonen eine zwölftägige Schlacht um ihn.
Alle zwölf Jahre am einem von vier Orten
Zwölf Tage der Götter sind dem Glauben nach zwölf Jahre für Menschen. Somit findet die Kumbh Mela alle zwölf Jahre am einem von vier Orten statt, auf denen Tropfen des Nektars gefallen sein sollen, also alle drei Jahre an einem Ort. Da Haridwar als einziger der vier Kumbh-Orte ausschließlich am Ganges liegt, findet hier die Mutter Kumbh, Mahakumbh statt. Wegen der Corona-Pandemie wurde sie von 120 Tagen offiziell auf die 30 April-Tage verkürzt.
Dann soll der günstige Zugverkehr, der immer noch eingeschränkt ist, hochgefahren werden. Der neue Ministerpräsident des nordischen Bundesstaates Uttarakhand, in dem Haridwar liegt, Tirath Singh Rawat, appellierte an die Pilger, Masken zu tragen und Abstand zu halten.
Mit seiner Ankündigung, das Bad im Ganges auch ohne negativen Coronatest zu erlauben, sorgte der Politiker allerdings für Debatten.
Er wolle die Millionen Gläubigen, die jahrelang auf die Mahakumbh gewartet haben, nicht enttäuschen, begründete er seine Entscheidung. "Wir dürfen den Menschen das heilige Bad nicht vorenthalten."
Der Polizeikommissar Janmejay Khanduri hat bereits seine zwei Corona-Impfungen erhalten. Für alle Menschen, die während der Kumbh Mela Dienst haben, wurden 70.000 Dosen Vakzin reserviert, darunter für 5.000 Sicherheitskräfte. Khaduri ist stolz auf die Rolle seiner Stadt. "Wir stellen nicht einmal ein Prozent der Bevölkerung Indiens, doch das ganze Land und Gäste aus dem Ausland kommen nun zu uns."
Videoüberwachung soll helfen
Das Bewältigen der Menschenmenge ist eine enorme Aufgabe. In diesem Jahr wird auch auf Videoüberwachung gesetzt. Die historische Badeanlage, die das Zentrum bildet, hat einen neuen Farbanstrich bekommen. Extra Waschbecken wie Umkleidekabinen wurden aufgestellt und Mitarbeiter verteilen Hand-Desinfektionsmittel. Dennoch wird es nicht leicht, die Pilger zum Tragen von Masken zu bewegen.
Mit einer anrollenden zweiten Corona-Welle in Indien schwebt die Gefahr einer Ansteckung über dem Festival. Zwar legen die Behörden besonderen Wert auf Hygiene und haben Hunderte Arbeiterinnen und Arbeiter rekrutiert, die rund um die Uhr für Sauberkeit sorgen sollen.
Doch ob das reichen wird, bezweifeln nicht wenige. Kindern und älteren Menschen wird ganz vom Besuch abgeraten. Aber viele Pilger, zu denen auch ältere Sadhus (Mönchen) und die weiblichen Shadvis (Nonnen) gehören, werden sich davon wohl nicht abschrecken lassen.