In kunsthistorischen Reiseführern werden sie oft totgeschwiegen; bei mancher Kirchenführung kann man froh sein, wenn sie überhaupt erwähnt werden: Orgeln. Wenn nicht gerade ein Konzert stattfindet, Gottesdienste gefeiert werden oder zufällig jemand übt, dann erleben Kirchenbesucher die Königin der Instrumente meistens schweigend.
Viele ahnen nicht, welche Schätze in Kirchen stehen. Denn Orgeln sind nicht nur kompliziert und teuer; sie sind zum Teil mehrere hundert Jahre alt und damit ein technisches wie klangliches Denkmal. Viel zu wenig werden diese Schätze gewürdigt, dachte sich auch der Musikmanager Hermann Lewen. Und er hatte einen Plan.
Idee mit QR-Code
"Die Idee ist aus meinen alltäglichen Erlebnissen heraus entstanden. Ich bin ein großer Orgelfreund, aber wo ich auch hinschaute, meistens blieben die Orgeln in Kirchen stumm. So kam ich auf die Idee mit dem QR-Code."
Mittels eines QR-Codes, der auf einer Plakette in der Kirche angebracht ist, sorgt Lewen dafür, dass Musikbeispiele und Informationen über die jeweilige Orgel abgerufen werden können. Auf der zu dem Projekt gehörigen Website www.prelude-orgel.info sind alle Informationen rund um die präsentierten Instrumente abrufbar, auch Konzert- und Kurstermine.
Ziel sei es, eine umfassende Datenbank aufzubauen, mithilfe derer sich Orgelfreunde informieren können, so Lewen.
"Gut 1.000 Orgeln"
Gestartet ist die Initiative mit drei Instrumenten in Rachtig, Pfalzel und Tholey. Aber: "Es gibt gut 1.000 Orgeln in katholischen und rund 250 in evangelischen Kirchen allein im Bereich des Bistums Trier", sagt Lewen.
Ein riesiger kultureller Schatz. "Obwohl ich bereits lange in dieser Region lebe, entdecke ich immer wieder neue Sachen. Auch abseits der bekannten Hotspots gibt es Juwelen, die man in den Fokus nehmen muss, schließlich ist Deutschland eine Kultur- und Orgelnation."
Nachdem regional über die Idee berichtet wurde, sind nun schon fast 60 weitere Projekte in der Vorbereitung und Planung. "Mittlerweile habe ich jeden Tag Kontakte, die das Projekt betreffen", erzählt Lewen, der bis zu seinem Ruhestand 34 Jahre lang das Mosel Musikfestival geleitet hat.
In der Region und in der Musikwelt ist der Kulturmanager bestens vernetzt - und so ist er guter Hoffnung, dass seine Idee richtig durchstarten wird. Bisweilen mahlen die Mühlen der Kirche allerdings langsam. Bis die entsprechende Plakette tatsächlich an der Kirchenwand hängt, sei es mitunter ein langer Weg, sagt Lewen. Die Vorbereitung mit der Aufbereitung der Informationen zur Orgel, der Beschaffung von Musik, die teilweise eigens aufgenommen werden muss, und der Produktion der Plakette sei ebenfalls nicht zu unterschätzen.
90 Prozent Platzauslastung
Aus dem Takt bringen lässt sich Lewen durch etwaige Widrigkeiten aber nicht. Bestärkt wird er nicht zuletzt durch das mittlerweile überregionale Interesse, das seine Idee erhält. Auch aus Schleswig-Holstein und Bayern gab es bereits erste Anfragen. Kern seines Projektes bleibt aber bislang seine Heimat an der Mosel, wo Lewen gegenüber dem Ort Zeltingen-Rachtig im Kloster Machern wohnt.
1985 war Lewen der erste, der ein regionales Musikfestival eröffnete, ein Jahr vor Schleswig-Holstein und zwei Jahre vor dem Rheingau Musikfestival. Damals hat man ihn belächelt, als der noch relativ unbekannte Pianist Justus Frantz im ersten von seitdem gut 1.600 Konzerten auftrat. Heute gilt das Festival als eine Art Geheimtipp - und 90 Prozent Platzauslastung sprechen für sich.
Einer von Lewens jüngsten Coups war es, den von Pianistenlegende Alfred Brendel sehr geschätzten Kit Armstrong als Organisten etabliert zu haben. Ursprünglich war die Idee aus einer Laune heraus entstanden, doch wurde Armstrong nach einem sensationellen ersten Orgelkonzert in der Trierer Konstantinbasilika vom Fleck weg für so renommierte Häuser wie die Kölner oder Berliner Philharmonien als Organist engagiert.
Nun will Lewen mit seiner Plattform prelude-orgel.info neue Töne zum Klingen bringen. "Eigentlich habe ich das Projekt einfach so ins Blaue hinein gemacht, aber jetzt startet die Sache durch."