Bonner Münsterpfarrer würdigt Kirchenmusiker Bretschneider

"Ähnlich virtuos wie Beethoven"

Nach dem überraschenden Tod des Bonner Organisten und Komponisten Msgr. Wolfgang Bretschneider würdigt ihn ein langjähriger Begleiter als "sehr, sehr besonders". Er erinnert sich aber auch an seine kreativen Provokationen.

Trauer um Wolfgang Bretschneider (Katholisches Stadtdekanat Bonn)

DOMRADIO.DE: Wie haben Sie Monsignore Prof. Bretschneider als Mensch erlebt?

Dr. Wolfgang Picken (Stadtdechant und Bonner Münsterpfarrer): Er war ein Mann von großer Glaubensstärke, einer unglaublichen Bescheidenheit, mit einem feinsinnigen Humor - und sehr eng am Menschen. Er suchte immer das Gegenüber und blieb auch am Menschen dran. Und von daher hat er viele Menschen in unserer Gemeinde sehr bewegt und überzeugt. Aber natürlich auch Priestergenerationen geformt. 30 Jahre ist er in der Priesterausbildung tätig gewesen und seither kenne ich ihn auch und bin ihm seitdem verbunden gewesen. Und für uns ist sein Tod in vielerlei Hinsicht ein großer Verlust.

DOMRADIO.DE: Gibt es ein Erlebnis, an das Sie sich besonders gerne erinnern?

Picken: Wenn man Student ist, reibt man sich natürlich auch mit seinen Dozenten. Und er kam ja aus einer ganz neuen liturgischen Bewegung und Bewegung der geistlichen Musik und hat schon uns an manchen Stellen provoziert. Und ich kann mich sehr gut daran erinnern, dass er immer Wert darauf gelegt hat, dass beispielsweise der Altar nie verdeckt war, nie Blumen auf dem Altar zu stehen haben, damit die freie Sicht auf die Eucharistie-Gemeinschaft gegeben ist. Er hat sich wahnsinnig aufgeregt, wenn ein Lied zum Sanctus gespielt wurde, das nicht dreimal "heilig" auch wirklich im Text hatte. Und damals haben wir uns sehr darüber aufgeregt. Aber heute ist es sofort als Reflex bei mir immer vorhanden. Wenn ich ein Sanctus anstimme, dann würde ich nie auf die Idee kommen, einen Lied zu wählen, das nicht dreimal "heilig" hat. Und es hat seit meiner Priesterausbildung nie einen Blumentopf oder eine Blumenvasen auf dem Altar gegeben, weil ich immer den Professor im Hintergrund reden höre. Und er hat eigentlich auch natürlich recht. Aber es war nicht einfach, in der Kirche auch neue Dinge zu prägen und zu entwickeln und sich mit jungen Leuten auseinanderzusetzen. Aber es hat ihm Spaß gemacht und wir haben davon alle sehr profitiert.

DOMRADIO.DE: Monsignore Bretschneider war auch Organist und Komponist. Was ist das Besondere, vielleicht auch das Berührende an seiner Musik?

Picken: Ich hatte ja jetzt als Pfarrer des Bonner Münsters die Gelegenheit, häufig mit ihm in Berührung zu kommen und seine Musik zu hören. Also das kann man eigentlich schlecht beschreiben, aber jeder, der in einem Gottesdienst war, in dem er gespielt hat, hat sofort gehört, es hat irgendjemand Besonderes die Orgel gespielt. Es war variantenreich, es waren aber keine Platitüden. Es war keine oberflächliche Musik, die einfach nur strahlen wollte, sondern sie tief durchdrungen war von einer geistlichen Dimension, von einem großen Glauben. Und er konnte mit seinem Instrument die Menschen in der Seele berühren, zum Lachen, zum Weinen bringen, nahm Gefühle, Emotionen, Themen des Gottesdienstes auf und verstärkte sie auf eine so besondere Weise, dass es immer ein wunderschönes Zwischenspiel auch zwischen dem Zelebranten und ihm auf der Orgel war. Man könnte fast sagen, wenn man mit ihm Gottesdienst gefeiert hat, gab es zwei Altäre, zwischen denen die Menschen saßen: der Altar oben in himmlischen Sphären, mit denen er im Grunde genommen auf das reflektierte, was vorne im Altarraum geschah. Schon sehr, sehr besonders und einmalig.

DOMRADIO.DE: In Sankt Remigius in Bonn ist ein Kondolenzbuch vor dem Taufstein von Beethoven in der Seitenkapelle der Kirche aufgestellt. Da können Gemeindemitglieder und Weggefährten Abschied nehmen. Was für Reaktionen auf seinen Tod sind schon bei Ihnen angekommen?

Picken: Wir haben ihn sogar in die Kirche überführt und ihn auch ganz nah an den Taufstein gerückt. Er ist für mich ähnlich virtuos wie Beethoven in seiner Ausdruckskraft - und eine große Persönlichkeit Bonns. Das ist ein Kommen und Gehen. Ganz viele Menschen sind tief berührt und bewegt und nehmen dort Gelegenheit zum Abschied. Und ich denke, so wird das auch die nächsten Tage weiter sein. Es gibt auch viele junge Leute, die sehr berührt waren von seiner Musik. Alle modernen Kirchenlieder, die wir so kennen, "Meine engen Grenzen", "Ich stehe vor dir mit leeren Händen, Herr", "Jerusalem, Jerusalem"... die hat er durch Katholikentage und durch Papstbesuche gepusht. Also alle Songs, die wir im Kopf haben, die auch jungen Menschen eingängig sind, haben auch irgendwo seine Handschrift und seine Verstärkung gefunden. Es ist eine große Betroffenheit aller Generationen und auch ganz unterschiedlicher Menschen. Er hat auch viele Leute erreichen können mit seinem Instrument, mit seiner geistlichen Verknüpfung, die vielleicht sonst auch eher in Distanz zur Kirche gestanden haben.

DOMRADIO.DE: Am Mittwoch wird sich die Stadt, die Gemeinde mit einem Requiem von Monsignore Bretschneider verabschieden. Den Gottesdienst übertragen wir auch live auf DOMRADIO.DE. Was ist da genau geplant?

Picken: Ja, es wird ein Gottesdienst sein, zu dem wir den Erzbischof hier in der Stadt erwarten. Es unterliegt natürlich den Corona Bedingungen, sodass nicht so viele Menschen direkt teilnehmen können. Aber man kann es über das Internet mitverfolgen und mitfeiern. Und dann - das habe ich entschieden, weil er ja eigentlich seit dem zwölften Lebensjahr mit dem Bonner Münster intensiv verbunden ist und hier die Orgel gespielt hat - wird er hier anschließend im Kreuzgang des Bonner Münsters in der Gruft der Bonner Münsterpfarrer und Stadtdechanten bestattet. Denn wenn jemand mit diesem Bonner Münster wirklich verbunden war, fast eine Einheit, dann ist es er gewesen. Und deshalb ist es uns eine Selbstverständlichkeit, dass wir ihn auch hier dann in das Bonner Münster hineinholen und ihn in unserem Kreuzgang die ewige Ruhe und die Grabstätte geben.

Das Interview führte Katharina Geiger.


 

Wolfgang Picken / © Harald Oppitz (KNA)
Wolfgang Picken / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR
Mehr zum Thema