Wie funktioniert Diskurs beim Synodalen Weg?

"Wir streiten um den richtigen Weg"

Beim Synodalen Weg haben sich Bischöfe und Laien auf einen Dialog verständigt. Aber wie funktionieren der Meinungsaustusch und die Diskussion? ZdK-Vizepräsidentin Karin Kortmann zieht eine positive Zwischenbilanz.

Teilnehmer beim Auftakt der Beratungen der Synodalversammlung am 31. Januar 2020 / © Harald Oppitz (KNA)
Teilnehmer beim Auftakt der Beratungen der Synodalversammlung am 31. Januar 2020 / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wie erleben Sie die Diskussion und die Streitkultur zwischen Lehramt und Laien beim Synodalen Weg?

ZdK-Mitglied Karin Kortmann (SPD) (KNA)
ZdK-Mitglied Karin Kortmann (SPD) / ( KNA )

Karin Kortmann (Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken / ZdK): Ich kann sagen, dass die erste Synodalversammlung für uns alle ein Wunderwerk war. Denn diese Aufteilung zwischen Klerikern und Wissenschaftlern gab es nicht. Wir waren da als Kinder Gottes unterwegs, um einen neuen Weg zu beschreiten, für den es in dieser Form ja auch keine Blaupause gibt.

Es liegt an uns allen – an den 220 Synodalen – ob sie aufrichtig und ehrlich miteinander umgehen, ob sie den geschützten Raum nutzen, um zu neuen Ideen für die Weiterentwicklung der katholischen Kirche beitragen zu können und ob wir auch mit Respekt und Anstand miteinander umgehen. Wahrscheinlich ist mit die entscheidende Frage immer: Wer verkündet denn die Wahrheit und was ist die Wahrheit? Was ist der richtige Weg?

Die erste Versammlung hat bereits gezeigt, wie viel Vertrauen man in diesen Raum hinein gibt, indem man von sich persönlich berichtet und sich damit auch angreifbar und verletzlich macht. Das hat sich auch in der Corona-Pandemie nicht verändert. Es ist anders geworden durch digitale Austausch-Formate, das muss man sagen – es ist eingeschränkter. Aber der Respekt und die Sorge, dass wir an irgendeiner Stelle Verletzungen erzeugen, die wir alle nicht wollen, die ist sehr groß und wir gehen empfindsam miteinander um. 

DOMRADIO.DE: Hatten Sie das so erwartet, dass man sich so miteinander auseinandersetzt? 

Kortmann: Ich habe erwartet, dass es eine lebendige Streitkultur über den richtigen Weg gibt. Die ist auf jeden Fall zu erwarten bei der Synodalen Versammlung im September. Denn dann gehen wir in die erste Lesung von zu verabschiedenden Texten hinein. Bisher war viel Austausch, viel Analyse gefragt. Die Texte werden in den Foren erarbeitet. Aber wenn es dann darum geht, die Dinge das erste Mal wirklich im Plenum abzustimmen und damit auch eine Richtung für die zweite Lesung vorzubereiten, da wird es sicherlich auch Streit geben. Aber das ist ja auch wichtig. Wir streiten um den richtigen Weg. Und Streit ist ja erst mal per se nichts Schlechtes.

In der Demokratie gehört die Meinungsfreiheit zum Fundament. Es muss auch ein Fundament für eine lebendige Kirche sein, dass wir diese Meinungsfreiheit zulassen – immer im Respekt, andere nicht zu verletzen und pfleglich miteinander umzugehen. Es geht um die Sache. Es geht natürlich auch sehr um eigene Betroffenheiten.

Wenn ich an die Zeugnisse der Opfer des sexuellen Missbrauchs denke, die auf der ersten Synodalversammlung mit uns und zu uns gesprochen haben – da wird man ruhig, hinhörend, demütig und überlegt sich vielleicht auch: In welcher Schärfe gehe ich das nächste Thema an, angesichts dessen, dass viele Verletzte auch in der Synodalversammlung sitzen? Und nicht nur Verletzte des sexuellen Missbrauch, sondern auch Verletzte aus der Wissenschaft, die mit ihrer Theologie oft nicht das gewünschte "Nihil obstat" aus Rom bekommen haben oder auch mit der Glaubenskongregation hadern, ob ihre Lehre noch die richtige Lehre ist. 

DOMRADIO.DE: Es gibt ja auch diejenigen, die den Synodalen Weg kritisch sehen und sagen, das dürfe es so nicht geben. Die Bischöfe und der Papst sollten alles alleine entscheiden. Was sagen Sie denn diesen Menschen? 

Kortmann: An die kommen wir zum großen Teil gar nicht mehr heran. Wenn Sie sich mal anschauen, was in den sozialen Medien alles verbreitet wird. Deswegen die Frage: Ist das wirklich sozial, was da passiert? Es gibt so unerträgliche Hass-Mails, die wir als Synodale auch einzeln bekommen. Es gibt Kommentierungen auf Facebook zu Aussagen über den Synodalen Weg, wo die Adressaten immer wieder eine gleiche Gruppe abbilden und sich auch mit Namen outen, die alles nur verächtlich machen und niederschreiben und uns auch absprechen, im Namen der Kirche sprechen zu dürfen.

Aber wir sprechen nicht im Namen der Kirche, sondern wir sprechen als Glieder der Kirche und daran kann sich jeder beteiligen. Aber es ist destruktiv, wenn es immer nur darum geht, uns die Wahrheit, die Redlichkeit und auch die Nähe zur Kirche absprechen zu wollen. Da nützen manchmal auch Gegenkommentierungen nichts. Aber ich würde mir wünschen, dass diejenigen, die einen Post gesetzt haben, auch die Verantwortung dafür übernehmen, dass sie schauen: Wie wird was kommentiert und dass sie da auch entsprechend darauf reagieren. 

DOMRADIO.DE: Sie haben beim Synodalen Weg offenbar einen sehr guten Weg gefunden. Was meinen Sie, ist die Meinungsfreiheit in der Kirche genauso garantiert und offen wie in der bürgerlichen Welt? 

Kortmann: Ich habe es immer so erlebt, dass ich sagen durfte, was ich denke – sowohl im gesellschaftlichen Bereich wie auch im kirchlichen. Es gibt auf beiden Seiten immer Defizite, das muss man dazu sagen. Es wäre ja auch schlimm, wenn alles so perfekt liefe.

Gemeinwesen in Kirche und Gesellschaft sind lebendig und verändern sich. Wir müssen uns den Respekt behalten, dass auch der oder die andere Recht haben könnte mit ihrer Einschätzung, ihrer Wahrnehmung, ihren Forderungen und uns gemeinsam darum bemühen, dass es nicht darum geht, die eigene Sichtweise durchzusetzen, durchzubrechen, sondern darum, uns zu bemühen, zu fragen: Was ist für die Kirche wichtig, dass wir vorankommen? 

Denn wir wollen dieser katholischen Kirche in Deutschland und in der Welt eine Zukunft geben. Und wir wollen auch, dass wir Menschen damit ansprechen, die dem Glauben eher fern stehen oder dem Ganzen kritisch gegenüberstehen. Wir sagen: Es lohnt sich. Es lohnt sich, diese frohe Botschaft immer wieder neu zu interpretieren und auf neue verändernde, gesellschaftliche Prozesse anzuwenden. Da ist mancher Diskurs auch ein strittiger. Und den sollten wir uns auch beibehalten, weil es um ein Ringen für das Bessere geht.

Das Interview führte Carsten Döpp.

Synodaler Weg

Der Begriff "Synodaler Weg" verweist auf das griechische Wort Synode. Es bedeutet wörtlich "Weggemeinschaft"; im kirchlichen Sprachgebrauch bezeichnet Synode eine Versammlung von Bischöfen oder von Geistlichen und Laien.

Der Reformdialog Synodaler Weg dauerte von Ende 2019 bis Frühjahr 2023. Dabei berieten die deutschen katholischen Bischöfe und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) zusammen mit weiteren Delegierten über die Zukunft kirchlichen Lebens in Deutschland.

Das gelochte Metallkreuz und Teile des Schriftzugs Synodaler Weg  / © Julia Steinbrecht (KNA)
Das gelochte Metallkreuz und Teile des Schriftzugs Synodaler Weg / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
DR
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