Bei den Bibelarbeiten des ÖKT kommen auch Politiker zu Wort

"Quarantänegeschichten" und andere Entdeckungen

Kein Kirchentag ohne Bibelarbeiten. Das gilt auch diesmal. Drei Texte aus der Bibel rund um das ÖKT-Motto "schaut hin" stehen zur Auswahl. In Zeiten der Corona-Pandemie lassen sich auch aktuelle Bezüge in alten Bibeltexten entdecken.

Autor/in:
Norbert Zonker
Tischinstallation des Ökumenischen Kirchentags vor der St. Katharinenkirche / © Sebastian Gollnow (dpa)
Tischinstallation des Ökumenischen Kirchentags vor der St. Katharinenkirche / © Sebastian Gollnow ( dpa )

Zu den festen Größen von Kirchentagen gehören seit vielen Jahren die Bibelarbeiten: Die drei "Arbeitstage" der Christentreffen beginnen mit einem biblischen Impuls, die vorgegebenen Texte werden von professionellen Predigerinnen und Predigern ebenso wie von Politikern oder Prominenten aus Kultur und Gesellschaft ausgelegt - nicht selten mit überraschenden Wendungen.

Längst haben auch die Katholikentage dieses Modell der evangelischen Kollegen übernommen - und natürlich die beiden bisherigen bundesweiten Ökumenischen Kirchentage (ÖKT).

Das ist auch diesmal so und doch anders: Die Bibelarbeiten werden nicht live vorgetragen, sondern sind dezentral ohne Publikum aufgezeichnet und stehen auf der ÖKT-Homepage zum Abrufen bereit. Mit Ausnahme der drei christlich-jüdischen Bibelarbeiten am Freitag sind alle 22 anderen Auslegungen auf den Samstag gelegt, den Haupttag des diesjährigen ÖKT.

Drei Texte aus der Bibel zur Auswahl

Dennoch gibt es auch diesmal drei Texte aus der Bibel zur Auswahl, die dem Kirchentags-Leitwort "schaut hin" unterschiedliche Perspektiven geben: Es handelt sich um die Erzählung von der Heilung eines Blindgeborenen aus dem Johannesevangelium, einen Abschnitt aus der Sintflut-Erzählung aus der biblischen Urgeschichte mit dem Noah-Bund sowie um den Bericht aus dem Lukasevangelium über die Frauen am leeren Grab Jesu.

Zu den Prominenten aus der Politik, die sich mit den Texten auseinandersetzen, zählen die soeben wiedergewählte rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) und der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) - beide auch aktives beziehungsweise ehemaliges Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken - sowie in einer Dialogbibelarbeit die Landeschefs Bodo Ramelow (Linke, Thüringen) sowie Volker Bouffier (CDU/Hessen).

Dreyer (Johannesevangelium) und Kretschmann (Sintflut) setzen sich detailliert mit ihren Texten auseinander. Kretschmann kann dabei auch einen aktuellen Bezug zum Klimawandel herstellen. Wer sich dagegen von Ramelow und Bouffier eine vielleicht sogar kontroverse Diskussion erhofft, wird enttäuscht. Der Thüringer spricht vor einem Bild der Wartburg über die heilige Elisabeth und Martin Luther und lädt zum Katholikentag 2024 nach Erfurt ein; auch bei Bouffier bleiben die Bezüge zum Bibeltext eher allgemein.

Nicht fehlen dürfen bei Bibelarbeiten der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, und seine Vorvorgängerin Margot Käßmann. Der Präsident des Lutherischen Weltbunds, Erzbischof Panti Filibus Musa, spricht auf Englisch und bringt die weltweite Perspektive ein. Eine Dialogbibelarbeit machen auch der katholische Bischof von Fulda, Michael Gerber, und die Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Beate Hofmann.

Geschichte von Noah in der Arche auch eine "Quarantänegeschichte"

Bedford-Strohm fällt auf, dass die Geschichte von Noah in der Arche auch als "Quarantänegeschichte" gelesen werden könne, und schlägt den Bogen zur aktuellen Pandemie-Lage. Und er stellt die Frage: "Warum lässt Gott diese Katastrophen zu?" Gott fahre nicht herab wie der Göttervater Zeus und schaffe Ordnung, so der bayerische Landesbischof. "Manchmal würden wir so sehr darauf hoffen, und wenn es nicht geschieht, zweifeln wir an Gottes Existenz, weil er gerade diese Erwartung schmerzhaft enttäuscht." Am Ende der Sintflutgeschichte stehe aber "nicht das Verderben, sondern das Leben".

Der evangelisch-methodistische Bischof Harald Rückert richtet den Blick darauf, dass Gottes Fürsorge in dieser Geschichte einem Einzelnen oder Wenigen gilt: "Über ihn beziehungsweise über sie soll die ganze Schöpfung eine neue Gestalt annehmen." Als weitere Beispiele dafür nennt er den Apostel Paulus und die antike Geschäftsfrau Lydia, Martin Luther und seine Ehefrau Katharina von Bora, John Wesley und seine Mutter Susanna Wesley, Friedrich von Bodelschwingh, Ruth Pfau, Mutter Teresa und Martin Luther King. "Gott ruft immer wieder einzelne Menschen, um seine neue Welt zu schaffen."

Und der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf weist in seiner Deutung des Johannesevangeliums darauf hin: "Es ist stimmig, wenn am Ende die wenigstens scheinbar Rechtgläubigen als die Blinden entlarvt werden. Ihnen fehlt sowohl die Liebe zum konkreten Menschen als auch die Liebe zu Christus, in dem Gottes Liebe konkret wird. Beides gehört zusammen, wenn wir richtig sehen wollen."


Quelle:
KNA
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