In seinem Herzen war Pietro del Murrone ein Eremit, lebte viele Jahre abgeschirmt von den Menschen, ins Gebet vertieft. Dennoch wurde der Benediktinermönch 1294 zum Papst gewählt und nannte sich nun Coelestin V.
Im Nachhinein scheint es fast klar, dass das nicht gut gehen konnte.
Rücktritt unter anderen Umständen
Und nur fünf Monate später verlas er seine Abdankungsformel, nachdem er zuvor eine Konstitution über die Abdankung des Papstes erlassen hatte. Im Dezember 1294 tauschte er die päpstlichen Gewänder wieder mit der Mönchskutte. Vor 725 Jahren, am 19. Mai 1296, starb er schließlich.
Coelestin war in der Tat der letzte Papst, der vor Benedikt XVI. zurücktrat - wenn auch unter ganz anderen Umständen. Pietro da Morrone war schon über 80 Jahre alt, als König Karl II. ihn 1294 in seiner Höhle am Monte Morrone in den Abruzzen besuchte.
Pietro, der die strenge Ordensgemeinschaft der Cölestiner gegründet hatte und sich später wieder in die Berge zurückzog, umgab ein heiligmäßiger Ruf.
Streit um das Papstamt
Der Eremit und Sohn einer 14-köpfigen Bauernfamilie, geboren zwischen 1209 und 1215, sollte das Ass in Karls Ärmel werden. Mit ihm wollte der König ein zweijähriges Patt im Kardinalskollegium aufbrechen.
Seit dem Tod von Nikolaus IV. 1292 rangen zwei französische sowie die Kardinäle rivalisierender römischer Adelsfamilien um den nächsten Papst. Vergebens.
Karl II. von Anjou (1254-1309) brauchte einen Papst, um Herrschaftsansprüche in Sizilien absegnen zu lassen. Also ging der König von Neapel zum Eremiten und bat ihn, den uneinigen Kardinälen einen geharnischten Brief zu schreiben: Sie sollten endlich einen Papst wählen, um Schaden von der Kirche abzuwenden.
Da Morrone wollte die Wahl erst nicht annehmen
Der Eremit schrieb und fand Gehör - nur anders, als er dachte. Am 5. Juli 1294 wählten die Kardinäle ihn zum Papst. Nach anfänglicher Weigerung nahm er die Wahl an.
Dem Vorbild Jesu gemäß ritt er auf einem Esel nach L'Aquila ein und wurde in der von ihm gegründeten Klosterkirche Santa Maria di Collemaggio zum Papst gekrönt. Als Namen wählte er Coelestin - der Himmlische.
Erfüllung einer Vorhersage?
Für viele im Land war dies ein Zeichen. Der "Papa angelicus" (Engelspapst), wie der fromme Eremit auf dem Stuhl Petri genannt wurde, galt als Erfüllung einer Voraussage des Joachim von Fiore (1135-1202) über ein neues Zeitalter, in dem die sündhafte Kirche sich bekehren und den vielen Ungerechtigkeiten im Land ein Ende bereitet werde.
In Umberto Ecos Roman "Der Name der Rose" spielen diese Erwartungen eine wichtige Rolle.
Der Papst, der nie in Rom war
Der Historiker Volker Reinhard beschreibt das neue Pontifikat so: "Damit stand ein Einsiedler, der 63 Jahre lang die Gesellschaft anderer Menschen systematisch gemieden hatte, an der Spitze eines ebenso umtriebigen wie intriganten Hofes, dessen Werte er nicht teilte, dessen juristische Bildung ihm fremd war und dessen verfeinertes Latein er wahrscheinlich kaum verstand."
Coelestin wurde zur Marionette im Ränkespiel der Kardinäle - und Karls II. Um alle besser im Blick zu haben, nahm der König Papst und Kurie mit sich an den Hof in Neapel. Rom hat Coelestin nie betreten.
Von der Überforderung zum Rücktrittswunsch
Die päpstliche Politik wie Kardinalsernennungen wurde von Karl bestimmt - und von der Sympathie des Papstes für Bettelorden. Worum diese ihn baten, konnte er nicht abschlagen.
Um den überforderten Petrus-Nachfolger kümmerte sich auch Kardinal Benedetto Caetani. Der rechnete sich aus, Nachfolger des Mönch-Papstes zu werden.
Als Coelestin zögernd anfragte, ob ein Papst zurücktreten könne, lieferte Caetani bereitwillig fiktive Beispiele früherer Zeiten. Dabei war unstrittig, dass ein Papst aus Alters- oder Krankheitsgründen sein Amt zur Verfügung stellen konnte.
Rücktritt unter Prostest
Am 13. Dezember 1294, nach nur fünf Monaten im Amt, trat Coelestin V. zurück: wegen körperlicher Schwäche, fehlendem Herrschaftswissen und dem Wunsch, wieder als Einsiedler zu leben.
Wegen Volksprotesten vor dem Palast dauerte es einige Tage, bis er tatsächlich die Papstroben ab-, seine Mönchskutte anlegte und sich wieder Pietro da Morrone nannte. Ein Eremitenleben sollte er dennoch nicht mehr führen können.
Auf dem Weg nach Rom ließ Kardinal Caetani den Zurückgetretenen bewachen. Um ein Schisma zu vermeiden, wollte er ihn im Blick behalten. Pietro entkam zunächst; monatelang wurde in Süditalien nach dem flüchtigen Ex-Papst gefahndet. Schließlich fand man ihn.
Frömmigkeit statt Geld und Macht
Caetani, inzwischen Papst Bonifaz VIII. (1294-1303), nahm seinen Vorgänger auf der Festung Fumone östlich von Rom in Ehren- oder Schutzhaft - je nach Sicht. Dort starb Pietro da Morrone am 19. Mai 1296 eines natürlichen Todes. 1326 wurde er in seine Kirche Santa Maria di Collemaggio umgebettet. Papst Clemens V. sprach Pietro da Morrone, nicht Coelestin V. (!), am 5. Mai 1313 heilig.
Der Rücktritt wurde in der Geschichte überwiegend positiv bewertet. "Coelestin stand für eine andere, auf Frömmigkeit und Weltabgewandtheit statt auf Geld und Macht gegründete Kirche", so Reinhard.