Zwei prominente Vertreter der katholischen Kirche in Kolumbien haben sich inmitten der sozialen Unruhen und der anhaltenden Gewalt für einen Versöhnungsprozess eingesetzt. Der Päpstliche Nuntius in dem südamerikanischen Land, Erzbischof Luis Mariano Montemayor, sagte der Tageszeitung "El Espectador" (Sonntag), die marxistische ELN-Guerilla sei bereit, ihre Feindseligkeiten einzustellen. Das kommt einem Friedensangebot an die Regierung gleich.
"Wir sind in einem offenen Dialog mit der ELN, mit der Delegation in Havanna und der in Kolumbien präsenten ELN. Und warum? Aus humanitären Gründen", sagte Montemayor. "Unsere Pfarrer kennen die Vor- und Nachnamen jener Personen, die die Konsequenzen des Konfliktes erleiden müssen. Jener, die besonders betroffen sind: In Choco, in Catatumbo und in Cauca Narino." Die Kirche wisse, wie sehr die Bevölkerung unter dem Konflikt leide. Der Papst wünsche, dass diese Kommunikation mit der ELN fortgesetzt werde, fügte der Nuntius hinzu. Das erleichtere es der Kirche, ihre Besorgnis zu vermitteln angesichts von Entführungen, Anti-Personen-Minen, Zwangsrekrutierung von Kindern und Gewalt.
ELN will Wiederaufnahme der Gespräche
Die ELN habe versucht, ihrerseits zahlreiche Forderungen der Regierung für die Wiederaufnahme der Gespräche zu erfüllen, sagte Montemayor. So habe die Guerilla nahezu alle Geiseln freigelassen. Von anderen, die tot seien, habe sie der Kirche Informationen zukommen lassen.
Die ELN sei auch bereit, die Teilnahme des rechtsgerichteten Ex-Präsidenten Alvaro Uribe an möglichen Verhandlungen zuzulassen. "Unsere Überraschung war: Die ELN lehnt das keineswegs ab. Die besten Abkommen macht man mit den schlimmsten Feinden", so Montemayor.
Vereinte Nationen und Bischofskonferenz
Unterdessen forderte der am Nationalen Dialog zwischen Regierung und Streikkomitee beteiligte Vertreter der Kolumbianischen Bischofskonferenz, Hector Fabio Henao, einen inklusiven Versöhnungsprozess. Dazu sei es notwendig, Räume der Teilhabe zu schaffen, sagte Henao der Tageszeitung "El Tiempo" (Sonntag).
Henao ist gemeinsam mit UN-Vertretern als Beobachter in die Verhandlungen zur Lösungen der innenpolitischen Krise eingebunden. "Die Vereinten Nationen und die Bischofskonferenz wurden vom Streikkomitee und der Regierung eingeladen, den Prozess zu begleiten. Wir führen eine Moderationsaufgabe aus, aber die Rollen müssen noch genau definiert werden", betonte er. Die Gespräche befänden sich derzeit in einer Art Vorphase.
"Wir sind ein Land mit tiefen Ungleichheiten", sagte Henao. "Was nun erforderlich ist, ist ein Heilungsprozess der kolumbianischen Nation, mit dem sich alle identifizieren und sich selbst nicht als Feind sehen, sondern als wahre Landsleute und Brüder und Schwestern empfinden". Das kolumbianische Volk sei "in seinen Herzen und Seelen tief verwundet."
Papst fordert Dialog und Lösungen
Auch Papst Franziskus forderte am Pfingstsonntag einen "ernsthaften Dialog" der Konfliktparteien in dem Krisenstaat. Nur so könnten "gerechte Lösungen" für die vielfältigen Probleme gefunden werden. Nachdrücklich mahnte das Kirchenoberhaupt die Verantwortlichen, sämtliche Maßnahmen zum Nachteil der Bevölkerung zu unterlassen. Das Recht, friedlich zu demonstrieren, müsse respektiert werden.
Die Massenproteste in Kolumbien hatten sich Ende April an einer inzwischen zurückgenommenen Steuerreform entzündet. Seitdem kamen mehr als 50 Menschen ums Leben, die überwiegende Mehrheit Zivilisten, vereinzelt aber auch Polizisten und Sicherheitskräfte.
Pausierte Friedensgespräche
Die derzeit auf Eis liegenden Friedensgespräche zwischen der kolumbianischen Regierung und der ELN begannen im Februar 2017 unter dem damaligen Präsidenten und Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos. Im Mai 2018 wurden sie in die kubanische Hauptstadt Havanna verlegt.
Nach einem Bombenattentat der ELN auf eine Polizeischule in Bogota im Januar 2020 stoppte Kolumbiens Präsident Ivan Duque die Gespräche. Er nannte als Bedingungen für eine Wiederaufnahme die Freilassung aller ELN-Geiseln sowie die Einstellung der kriminellen Aktivitäten der Guerilla. Zuletzt gab es im Rahmen der Sozialproteste neue Bewegung in der Problematik und die Regierung zeigte sich wieder gesprächsbereit.