Wenn es um das Essen geht, sind sich Juden in den USA einig: Sie lieben ihre Gerichte, die aus allen Teilen der Welt stammen. Drei von vier US-Amerikanern jüdischer Herkunft kochen oder essen regelmäßig Rezepte nach Vorgaben aus der Tora.
Die Liste der Gemeinsamkeiten reicht von den "Latkes" genannten Reibekuchen über "Bagels" und "Gefilte Fish" bis hin zum Eintopf Tscholent und der Eier-Tomaten-Chili-Pfanne Schakschuka. Doch nach dem Essen ist es schon vielfach vorbei mit der Einheit unter den mehr als sieben Millionen US-Juden.
Erhebliche Unterschiede in der jüdischen Gemeinde
In der größten Untersuchung ihrer Art hat das Pew Research Institute (Pew) die wachsende jüdische Gemeinde in den USA unter die Lupe genommen. Laut dem Bericht "Jewish Americans in 2020" legte die Zahl der Juden in den USA im Vergleich zu 2013 von 6,8 auf 7,5 Millionen zu. Sie stellen 2,4 Prozent der US-Bevölkerung.
Die zwischen November 2019 und Juni 2020 durchgeführte Umfrage unter mehr als 4.700 US-Juden macht erhebliche Unterschiede in der Gemeinde aus. Zu den Differenzen gehört der Blick auf Israel, das von orthodoxen Juden anders gesehen wird als von der säkularen Mehrheit.
Mehr als 40 Prozent der US-Juden sagen, dass sie sich emotional nicht besonders mit Israel verbunden fühlen. Was nicht bedeutet, dass die US-Amerikaner jüdischer Herkunft nicht an dem Geschehen dort interessiert sind. Acht von zehn Befragten geben in der Pew-Untersuchung an, die Sorge um Israel sei ein wesentlicher Teil ihrer Identität. Während vier von zehn US-Juden Boykottforderungen ablehnen, werden sie von einem Zehntel ohne Wenn und Aber unterstützt.
Gesetze und Gebote nur für Minderheit wichtig
Pew fand heraus, dass für die Mehrheit der US-Juden Religion kaum noch eine Rolle spielt. Das Befolgen religiöser Gesetze und Gebote ist nur noch für die orthodoxen Juden wesentlicher Bestandteil der täglichen Routinen. Mit etwa neun Prozent machen diese aber nur eine Minderheit unter den US-Juden aus.
Vor allem bei den Jüngeren geht es um die Frage fromm oder weltlich? Pew hat dabei einen zweifachen Trend dokumentiert. Zum einen wachse die Gruppe der Nicht Religiösen, zum anderen legten Orthodoxe überproportional zu, heißt es in dem knapp 250 Seiten langen Bericht.
Unter den 18- bis 29-Jährigen identifizieren sich vier von zehn als ethnisch, kulturell oder aufgrund ihrer Abstammung als jüdisch, nicht aber als religiös. Doch der Anteil der Orthodoxen unter den jungen Juden dieser Altersgruppe wächst ebenso: Sie machen rund 17 Prozent aus - und sie sind deutlich orthodoxer als ihre Eltern und Großeltern.
Jung-Orthodoxe interagieren viel mehr als die Älteren mit der Mainstream-Kultur und haben eine Vorliebe für konservative Influencer. Nach vier Jahren Donald Trump sind sie auch selbstbewusster, so deutet die "Washington Post" die Pew-Umfrageergebnisse. Trump habe die Orthodoxen zu einer eigenen politischen Macht erweckt, so der Experte für orthodoxe Kultur, David Bashevkin. "Es ist diese Chuzpe, die Trump verkörperte."
Die meisten sympathisieren mit Demokraten
Große Veränderungen zeigen sich auch beim Heiraten. Demnach nehmen interreligiöse Ehen zu. In den vergangenen zehn Jahren haben weniger als vier von zehn US Juden einem Partner der gleichen Religion oder Abstammung das Ja-Wort gegeben.
Auffällig ist unter den Mischehen die religiöse oder kulturelle Dominanz des jüdischen Partners, der dafür sorgt, dass die Kinder in den kulturellen Traditionen erzogen werden. "Es gibt ein wachsendes Bewusstsein dafür, dass nur ein jüdischer Ehepartner gebraucht wird, jüdische Kinder zu erziehen", so Keren McGinity von der Brandeis University.
So sehr US-Juden religiös auseinanderdriften, so unterschiedlich sind auch ihre politischen Präferenzen. Sieben von zehn US-Juden sympathisieren mit der Demokratischen Partei; die Hälfte stuft sich selbst als liberal ein. Diese Zahl hat sich über Jahrzehnte kaum verändert. Im Gegensatz dazu bezeichnen sich 60 Prozent der orthodoxen Juden als konservativ, und drei Viertel geben an, Anhänger der Republikaner zu sein.
Mehr als jeder Zweite fühlt sich nicht mehr sicher
Große Einigkeit zeigen Juden, wenn es um Antisemitismus in den USA geht. Drei Viertel erklären, dieser sei in den vergangenen fünf Jahren gestiegen. Und mehr als jeder zweite fühlt sich inzwischen nicht mehr so sicher.
Rabbi Shmuly Yanklowitz sieht in den unterschiedlichen Identitätsbeschreibungen der US-Juden einen "Fall von religiöser Polarisierung in einer Zeit des Umbruchs für Amerikaner." Juden in den USA seien hin- und hergerissen zwischen Multikulturalismus und Stammesdenken. "Es gibt nur einen kleinen Mittelweg."