Führende Vertreter des US-Judentums begrüßen die Ankündigung von Papst Franziskus, die Akten für die Amtszeit von Papst Pius XII. (1939-1958) vollständig freizugeben. Die "Ehrlichkeit" der vatikanischen Entscheidung werde den Dialog zwischen Juden und Katholiken stärken, erklärte Rabbi Shmuel Herzfeld von der Nationalen Synagoge Ohev Sholom in Washington. Anscheinend habe die katholische Kirche im Moment eine sehr starke Führung, sagte er dem Katholischen Pressedienst CNS am Mittwochabend Ortszeit.
Es sei eine sehr ernste Frage, inwieweit sich Papst Pius XII. der schrecklichen Verbrechen gegen das jüdische Volk bewusst gewesen sei, so Herzfeld. Unbequeme Wahrheiten könnten mit der Öffnung der Archive für die Forschung offengelegt werden.
Holocaust Memorial Museum in Washington lobte den Schritt
Auch das Holocaust Memorial Museum in Washington lobte den Schritt des Vatikan. Dieser sei wichtig für die historische Wahrheit, so Museumsdirektorin Sara J. Bloomfield in einer Pressemitteilung. Sie verwies auf die "moralische Dringlichkeit" gegenüber der Generation der Überlebenden.
Pius XII. war in der Vergangenheit immer wieder Gegenstand von Kontroversen zwischen Juden und Katholiken. Katholiken verwiesen dabei oft auf seine "Geheimdiplomatie" und seine Verbindungen zum deutschen Widerstand als Zeichen für Versuche, den Holocaust zu verhindern. Viele Juden hingegen werteten die Reaktionen des Papstes eher als Apathie denn als aktives Handeln.
Öffnung der Archive in zwei Jahren
Papst Franziskus hatte am Montag angekündigt, dass die Dokumente der vatikanischen Archive am 2. März 2020, dem 81. Jahrestag der Papstwahl Eugenio Pacellis zu Papst Pius XII., für die Forschung zugänglich gemacht werden. Dies wird von der Forschung seit Jahren verlangt, um Aufschluss über die Haltung von Pius XII. angesichts des Holocausts zu bekommen. Öffentlich zugänglich sind bislang die Archive bis 1939, dem Ende der Amtszeit von Pius XI. (1922-1939).
Franziskus hatte wiederholt seine Bereitschaft bekundet, die Akten für die Forschung freizugeben, sobald deren Katalogisierung abgeschlossen sei. Die Arbeiten dazu laufen auf Wunsch seines Vorgängers Benedikt XVI. (2005-2013) bereits seit 2006. Wegen des langen Pontifikates von Pius XII. und wegen der Kriegsjahre sind aus seiner Amtszeit sehr viele Dokumente erhalten.