Die vollendete Jahresausstellung vom Kunstmuseum Kolumba

"Das kleine Spiel zwischen dem Ich und dem Mir"

Nach langer Coronapause präsentiert das erzbischöfliche Kunstmuseum Kolumba seine Jahresausstellung. Im Zentrum stehen Skulpturen und Videoarbeiten von Heinz Breloh zu Perspektivwechsel und Selbsterfahrung als Körper im Raum.

Autor/in:
Birgitt Schippers
»Kunst und Choreografie«, 2020/21, Werke von Heinz Breloh und Barockaltar / © Nachlass Heinz Breloh / Lothar Schnepf (Kolumba)
»Kunst und Choreografie«, 2020/21, Werke von Heinz Breloh und Barockaltar / © Nachlass Heinz Breloh / Lothar Schnepf ( Kolumba )

Im September letzten Jahres begann die neue Jahresausstellung im erzbischöflichen Kunstmuseum Kolumba mit einem Tanzmarathon der international bekannten Compagnie Rosas im fast leeren Museumsraum. Choreographie im Zusammenspiel mit Kunst – ein Leitfaden der Ausstellung. 

Der leere Museumsraum füllte sich nach und nach in acht Kapiteln mit Werken einzelner Künstler und Künstlerinnen zum Thema Körper, Bewegung und Kunst. Doch Corona stoppte diesen Ausstellungsprozess kurz vor seiner Vollendung im November. Mit digitalen Videobeiträgen und Hörstücken überbrückte das Museum die Zeit ohne Publikum. Mit der Eröffnung der vollendeten Ausstellung fordert Kolumba seine Besucherinnen und Besucher zu einem Perspektivwechsel heraus.

Im Zentrum: Heinz Breloh

Wulstige Skulpturen, geformt mit seinem eigenen Körper – das ist das Markenzeichen des 2001 verstorbenen Kölner Künstlers Heinz Breloh. Seine Skulpturen und Videos stehen im Mittelpunkt der aktuellen Jahresausstellung in Kolumba. Kuratorin Ulrike Surmann erklärt seine körperzentrierte Kunst: "Heinz Breloh ist in seiner Kunst von seinem eigenen Körper ausgegangen, wahrscheinlich, weil für ihn der Körper das Einzige ist, das er authentisch wahrnehmen kann."

»Kunst und Choreografie«, 2020/21, Werke von Heinz Breloh / © Nachlass Heinz Breloh / Lothar Schnepf (Kolumba)
»Kunst und Choreografie«, 2020/21, Werke von Heinz Breloh / © Nachlass Heinz Breloh / Lothar Schnepf ( Kolumba )

Magisch sind die in intensiver Langsamkeit aufgenommenen Videoaufnahmen in seiner Arbeit "ich filme mich" (1971). Mit der Super-8-Kamera fährt er an seinem nackten Körper entlang, während gleichzeitig eine weitere Kamera von außen diesen Selbsterkundungsprozess filmt. Dieses Spiel zwischen subjektiver Erfahrung und objektiver Betrachtung veranschaulicht das Motto der Ausstellung "Das kleine Spiel zwischen dem Ich und dem Mir" unmittelbar.

Die Verbindung von Kunst und Tanz eröffnet sich in Brelohs Super-8-Doppelprojektionen im Raum 6. Einer inneren Choreographie folgend läuft er zum Beispiel in einer parkähnlichen Landschaft kreuz und quer – ein Video, das wie eine einsame Spurensuche wirkt. Brelohs Werke scheinen Ausdruck einer verletzlichen Selbstversicherung zu sein, mit der er als Homosexueller im Leben Fuß zu fassen versucht.

Auf Einladung von Kolumba hat sich die deutsche Künstlerin Esther Kläs mit Brelohs Arbeiten auseinandergesetzt. Auch sie arbeitet an ihren Skulpturen meist mit ihren eigenen Händen und erschafft mit ihren Werken unmittelbare Körper- und Raumerfahrungen.

Perspektivwechsel als Ausstellungsmotiv

Bewegend sind die Fotogeschichten des amerikanischen Künstlers Duane Michals. Der Künstler lässt einen kleinen Steinhaufen in großer Ferne zu den ägyptischen Pyramiden wachsen, bis er so groß wie sie erscheint. Mit seinen Fotosequenzen hinterfragt er unsere Wahrnehmung von Realität und gesellschaftlichen Normen. Was verborgen, vergangen, unsichtbar oder unerreichbar erscheint, wird in seinen poetischen Bilderzyklen sanft in den Blick gerückt.

»Kunst und Choreografie«, 2020/21, »Dreigesicht« und Werke von Heinz Breloh / © Nachlass Heinz Breloh / Lothar Schnepf  (Kolumba)
»Kunst und Choreografie«, 2020/21, »Dreigesicht« und Werke von Heinz Breloh / © Nachlass Heinz Breloh / Lothar Schnepf ( Kolumba )

Die Fotokünstlerin Hannah Villinger vermittelt in ihrer monumentalen Bildarbeit "Skulptural" (1988/89) im Raum 17 ihren subjektiven, weiblichen Blick auf die Körperlichkeit des Menschen. Mit einer Sofortbildkamera erkundet sie ihren Körper und verfremdet ihn durch groß gezogene Momentaufnahmen von Details. Sie spielt mit dem Auge der Betrachtenden. Von ihr stammt das Motto der Ausstellung, "Das kleine Spiel zwischen dem Ich und dem Mir".

Wie ein gläsernes Windspiel flirren die Tonimprovisationen der Klanginstallation von Bernhard Leitner durch den hohen Raum 21. "RaumReflexion" nennt er sie. Je nach Standort ändert sich die Intensität der Klänge, die von drei Parabolspiegeln reflektiert werden. Ein akustischer Perspektivwechsel.

Sakrale Kunst im Dialog

Im gleichen Raum wie die Klanginstallation von Leitner steht auch eine fein gearbeitete, vergoldete Monstranz von der Kirchengemeinde St. Kolumba. Sie hat einen unmittelbaren Bezug zur Ausstellung, sagt Ulrike Surmann: "Die Hostie als Leib Christi in der Monstranz wird als Körper wahrgenommen, der ausstrahlt". Sie ist eine von den ausgesuchten sakralen Kunstwerken, die in diesem Jahr zu sehen sind.

So flankiert ein 163 cm langes "Heiliges Maß" aus Papier (1700) über "Gewisse und wahrhafte Länge unsers lieben Herrn Jesu Christs" das Selbsterkundungsvideo von Breloh. Die scheinbar tanzende Dreifaltigkeitsskulptur "Dreigesicht" aus dem 17. Jahrhundert ist Katalysationspunkt für Brelohs Raumbewegungsvideos. Stefan Lochners Madonna mit dem Veilchen scheint verstohlen wegzuschauen von Brelohs Werk "Der Bildhauer", in dem er sich als abstrakte Skulptur mit den für ihn typischen sechs Körperenden wie in einem Heiligenbild ins Zentrum stellt. 

Auch die weiteren Werke sakraler Kunst stehen in einem intensiven und prominenten Dialog zu den ausgestellten Werken moderner und zeitgenössischen Künstler. In der diesjährigen Ausstellung von Kolumba eröffnen sich immer wieder neue Perspektiven auf die Selbst- und Fremdwahrnehmung von Menschen durch ihren Körper im Raum. Es geht um Nähe und Distanz, um Geborgenheit und Verlorenheit. Um die existenzielle Verortung des Menschen.

Museum Kolumba

Kolumba, Kunstmuseum des Erzbistums Köln / © Julia Steinbrecht (KNA)
Kolumba, Kunstmuseum des Erzbistums Köln / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Das Kunstmuseum des Erzbistums Köln Kolumba wurde am 14. September 2007 eröffnet. Pläne und Ausführung stammen von dem Schweizer Architekten Peter Zumthor. Der Neubau bezieht Reste der im Krieg zerstörten spätgotischen Kirche Sankt Kolumba, die 1950 fertiggestellte Kapelle "Madonna in den Trümmern" von Gottfried Böhm sowie die archäologische Ausgrabung (1973-1976) mit ein. Von den Baukosten von 43,4 Millionen Euro trug das Erzbistum 38,4 Millionen, das Land Nordrhein-Westfalen 5 Millionen Euro.

Quelle:
DR