Richterin betont Gewissensfreiheit nach Kirchenasyl-Prozess

"Weil er nicht anders handeln konnte"

Patricia Finkenberger hat ihren Freispruch im Kirchenasyl-Prozess von Kitzingen gegen Kritik verteidigt. Nach Artikel 4 des Grundgesetzes sei Gewissensfreiheit kein bloßes Abwehrrecht, sondern ein Recht auf aktives Handeln.

Symbolbild Kirchenasyl / © Harald Oppitz (KNA)
Symbolbild Kirchenasyl / © Harald Oppitz ( KNA )

Das sagte sie der "Zeit"-Beilage "Christ & Welt" am Donnerstag. Die Formulierung weiche von früheren Verfassungen ab, auch von der Weimarer Verfassung.

"Ich bin überzeugt, als das Grundgesetz entstanden ist, war jedem bewusst: Es reicht nicht aus, einem Menschen zu erlauben, 'nicht mitzumachen', gleichzeitig aber von ihm oder ihr aber zu erwarten, dass er oder sie tatenlos zusieht, wenn andere Unrecht tun."

Urteil noch nicht rechtskräftig

Ende April hatte sich der Münsterschwarzacher Benediktinermönch Abraham Sauer vor dem Amtsgericht Kitzingen wegen Gewährung von Kirchenasyl verantworten müssen.

Er wurde aufgrund der im Grundgesetz geschützten Glaubens- und Gewissensfreiheit freigesprochen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, nachdem die Staatsanwaltschaft Würzburg Rechtsmittel angekündigt hatte.

Gewissen reicht nicht in allen Fällen

Auf die Frage, warum sie den Mönch freigesprochen habe, sagte Finkenberger: "Weil er zwar gegen das Gesetz verstoßen hat, aber - für mich überzeugend dargelegt - nach seinem Gewissen nicht anders handeln konnte."

Zudem habe Sauer "nicht bewusst den Konflikt mit der Rechtsordnung gesucht". Die Rechtsordnung siege allerdings "spätestens dann" über das Gewissen, wenn jemand anderes durch eine Tat zu Schaden komme, so die Richterin.

Bekommt das Gewissen einen neuen Stellenwert?

Mehrere Rechtsprofessoren rechnen nach diesem Urteil mit einem neuen Stellenwert des Gewissens vor Gericht. "Ich denke, um die Befassung mit der Frage der Gewissensentscheidung kommt man nicht herum", sagte Finkenberger.

Manchmal könnten oder müssten Werte Gesetze aushebeln, "und seit 1945 ist es allgemein bekannt: Manchmal hätten sie es müssen". Diese Frage sei zuletzt "ein bisschen in den Hintergrund geraten".

Keine "EInladung" zum Kirchenasyl

Im Bezug auf das Kirchenasyl beklagte sie, "dass es keine obergerichtliche Leitentscheidung gibt, an der sich Gerichte und Staatsanwaltschaften orientieren könnten".

Diese oberen Instanzen müssten "den eigentlichen Präzedenzfall schaffen", erklärte die Richterin.

Sie sehe ihr Urteil auch nicht als "Einladung" zum Kirchenasyl. Entscheidend sei in diesem Zusammenhang die geltende Vereinbarung zwischen den Kirchen und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aus dem Jahr 2015.


Quelle:
KNA
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