Caitlin O'Hara starb im Dezember 2016 an den Folgen einer Hirnblutung, mit nur 33 Jahren. Im Kleinkindalter hatten die Ärzte bei ihr Mukoviszidose diagnostiziert, eine angeborene Stoffwechselerkrankung, die lebenswichtige Organe nach und nach verstopft. Eine zwar seltene, aber tödliche Krankheit.
Gründung von "End-of-Life-Doula"
Zwei Tage nach ihrer Lungentransplantation starb Caitlin. Eine Tragödie für die Familie, aus der ihre Mutter Maryanne dennoch die Kraft schöpfte, anderen den Kampf mit dem Tod zu erleichtern. O'Hara meldete sich für ein achtwöchiges Programm am Larner College of Medicine der University of Vermont und ließ sich zur "End-of-Life-Doula" ausbilden. Das Wort stammt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie "Frau, die dient". Mehr als 1.400 Absolventen haben seit Gründung dieses Programms 2017 die Ausbildung durchlaufen. Manchmal werden sie auch einfach "Death Doula" genannt.
Aufmerksam geworden durch ihr Buch, griff die "New York Times" das Anliegen O'Haras auf. "In unserer Kultur bereiten wir uns übermäßig auf die Geburt vor, aber am Ende des Lebens hoffen wir das Beste", fasst die 62-Jährige ihre erlebte Trauererfahrung zusammen. Das Training habe ihr einen Weg eröffnet, "tiefer in meine eigene Trauer einzutauchen und diese Erfahrungen zu nutzen, anderen zu helfen".
Tod zum Thema machen
Die wachsende Zahl der Doulas in den USA und in anderen Ländern hat sich von Caitlin Doughty inspirieren lassen, einer Doula-Pionierin und Exotin der Bestattungsbranche. Ihr Buch "Fragen sie Ihren Bestatter" und ihre Videos über Tod und Verwesung sind Tabubrecher. Ihr Anliegen: den Tod zum Thema machen.
Die studierte Mediävistin Doughty, die heute ihr eigenes Bestattungsunternehmen in Los Angeles leitet, hatte noch als Kind panische Angst vor dem Tod. Sie setzte sich damit auseinander und gründete vor zehn Jahren zusammen mit anderen die Organisation "The Order of the Good Death", um vor allem Angehörigen einen anderen Umgang mit ihren Verstorbenen aufzuzeigen.
Dazu gehört, nicht einfach den toten Angehörigen von Fremden abholen zu lassen, sondern sich neben den geliebten Menschen zu setzen. "So haben es auch unsere Vorfahren gemacht." Auf YouTube erklärt sie Menschen, wie sie mit ihren Eltern über das Ende des Lebens sprechen können. Immer unter dem Motto: "Eine Kultur, die den Tod verleugnet, steht einem guten Tod im Weg."
Trösten durch Doulas
Doulas trösten; sie sind kein medizinisches Personal. Sie besprechen die Wünsche der Sterbenden: ob sie die letzten Tage zuhause oder im Krankenhaus verbringen möchten, mit der ganzen Familie oder nur mit einigen, oder ob ein Geistlicher gerufen werden soll.
Die Helfer im Tod kümmern sich auch um die emotionale Hinterlassenschaft der Sterbenden. In den Wochen vor dem letzten Atemzug sichten sie Familienfotos für ein letztes Album, um es ihren Kindern und Enkeln zu hinterlassen, oder verfassen Abschiedsbriefe mit dem Sterbenden. Oft reicht einfach nur das Da-Sein und das Streicheln der Hand. Aber auch für praktische Aufgaben wie das Abfassen von Patientenverfügungen oder die organisatorische und spirituelle Vorbereitung der Beerdigung stehe sie zur Verfügung.
Arbeit im Bereich zwischen Leben und Tod
Die Arbeit im Grenzbereich zwischen Leben und Tod spricht nicht nur jene an, die eigene Trauererlebnisse hatten. Gerade während der Pandemie haben sich Schauspieler oder Beschäftigte der Gastronomie für die "Doula"-Ausbildung gemeldet, weil viele ihre Jobs verloren. Einige unter ihnen haben erlebt, dass Freunde, Kollegen oder Familienangehörige an Corona starben. "Es machte ihnen ihre eigene Sterblichkeit bewusster", so die kalifornische Doula-Trainerin Diane Button.
Die schnell wachsende Zahl der Doulas ist in der "End-of-Life-Doula Alliance" organisiert. Seit ihrer Gründung 2018 gehören ihr mittlerweile rund 800 Ausbilder an. Allein 2020 hat sich die Mitgliederzahl fast verdoppelt, so die Präsidentin, Angela Shook. Der Zwei-Monats-Lehrgang kostet 800 Dollar. Für die Sterbebegleitung stellen Doulas ab 25 Dollar aufwärts in Rechnung, pro Stunde.
Nicht so Maryanne O'Hara: Sie begleitet Menschen am Ende des Lebens unentgeltlich. Auch als "End-of-Life-Doula" hat sie mit der Trauer um ihre tote Tochter nie ganz abgeschlossen. "Sie wird nie verschwinden", sagt sie. "Das möchte ich auch gar nicht."