Nicht warten auf den Tod, sondern leben bis zum Schluss. Vielleicht sogar noch einmal ungekannte Lebensfreude entwickeln, sich geborgen wissen, medizinisch kompetent betreut und menschlich liebevoll umsorgt sein – das alles gehört zu den Erfahrungen von Menschen, die am Ende ihres Lebens im Hospiz am Vinzenz Pallotti Hospital ein letztes Zimmer beziehen. Denn hier setzt das interdisziplinäre Team aus Medizinern, Pflegepersonal, Physio- oder Kunsttherapeuten, Psychologen, Sozialarbeitern und Seelsorgern auf eine ganzheitliche Betreuung der Patienten und damit auf ein bewährtes Netzwerk an Begleitung, das jedem unheilbar Kranken zugute kommt.
Dazu gehört vor allem, auf die sehr individuellen Wünsche und Bedürfnisse der Gäste – als solche werden sie vielerorts betrachtet – zu reagieren, Anregungen zu schaffen, aber auch dazu zu ermutigen, offen über eigene Ängste und Nöte zu sprechen. "Bei uns werden Sterben und Tod nicht tabuisiert. Wir reden darüber, denn Sterben gehört zum Leben", betont auch Dr. Dirk Hennesser, der als niedergelassener Onkologe und Palliativmediziner Patienten im Hospiz betreut. Und der Austausch darüber helfe dem Einzelnen oft, am Ende noch einmal sehr bewusst zu leben, loszulassen oder sogar manchmal Frieden mit sich selbst zu schließen. "Krankheit, Abschied und Trauer sind auch für uns Mediziner in der Begleitung lebenswichtige Themen, weil sie für diese Menschen beim Übergang vom Leben zum Tod zentral sind." Ein offener und vertrauensvoller Dialog ermögliche zudem, gemeinsam eine medizinisch sinnvolle Entscheidung zu treffen.
Der Bedarf an Hospizbetten ist groß
"Es gibt Patienten, die bei ihrem Krankheitsbild von einer klassischen Therapie nicht mehr profitieren. Dann ist für sie ganz wichtig, darüber aufgeklärt zu werden und die noch verbleibende Zeit möglichst optimal zu nutzen und – wenn die Kraft noch reicht – sogar noch aktiv selbst zu gestalten, damit sie auch in den letzten verbleibenden Wochen und Tagen noch sinnerfüllt ist." Es gebe Patienten, die würden im Angesicht des Todes noch einmal alle zur Verfügung stehenden Energien bündeln und das tun, wofür sie irgendwann einmal den richtigen Zeitpunkt verpasst haben: malen, sich mit Musik beschäftigen, Briefe diktieren oder kleine Gedichte schreiben. "Jeder, der Ruhe braucht oder nur noch viel schläft, ist hier genauso gut aufgehoben wie jemand, der bis zum letzten Atemzug die Diagnose nicht akzeptieren kann und es allen noch einmal beweisen will."
Der Bedarf an Hospizplätzen ist eigentlich überall groß. Auf etwa 100.000 Einwohner kommt – statistisch gesehen – eine Hand voll Hospizbetten. Und bei einer überdurchschnittlich hohen Zahl an Single-Haushalten greift das Prinzip der Großfamilie, die vor 20, 30 Jahren noch selbstverständlich die Pflege eines Angehörigen übernehmen konnte, schon lange nicht mehr. In Verbindung mit der Palliativstation, dem ambulanten palliativen Pflegedienst, dem ambulanten Hospizdienst, der am Haus etablierten Trauerbegleitung mit ihren vielfältigen Angeboten, dem Tageshospiz und dem Konsiliardienst für Niedergelassene stellt das Bensberger Hospiz ein Verbundangebot, das sich als umfassendes Netzwerk palliativer Versorgung längst bewährt hat.
"Wir verfügen über eine Hotline mit Hintergrunddienst, haben ein hochqualifiziertes Ärzte- und Pflegeteam mit extrem hoher Fachkompetenz und qualifizieren mittlerweile auch Niedergelassene in palliativer Versorgung, damit möglichst viele Patienten auch von ihrem Hausarzt kompetent versorgt werden können", erklärt Hennesser. "Denn natürlich wollen die meisten Patienten am liebsten in ihrer vertrauten Umgebung verbleiben."
Bis zum letzten Moment möglichst viel Lebensqualität schenken
"Unser Hospiz ist vor allem auch ein Ort des Lebens. Hier wird genauso gelacht wie geweint. Nur wer diese Station nicht kennt, meint, dass es hier ausschließlich traurig zugeht." Für Kerstin Sauter-Krause ist es ihr täglich Brot, mit Vorurteilen aufzuräumen. Denn seit 26 Jahren arbeitet die gelernte Krankenschwester auf der Palliativ- und Hospizstation; vor vier Jahren hat sie die Leitung übernommen. "Ich möchte mittlerweile auch nichts anderes mehr machen", sagt sie. "Mir ist wichtig, für unsere Schwerstkranken und Sterbenden Zeit zu haben, um ihnen die letzte Phase ihres Lebens so angenehm und schön wie möglich zu machen. Das motiviert mich jeden Tag neu, denn es ist eine zutiefst sinnstiftende Arbeit, die ein wichtiger Teil von mir geworden ist."
Dabei arbeitet sie Hand in Hand mit Anne-Kathrin Müller, die für die "Spezialisierte Ambulanten Palliativversorgung" – kurz SAPV – verantwortlich ist. Auch sie geht darin auf, schwerstkranken Patienten bis zum letzten Moment möglichst viel Lebensqualität zu schenken. Auf ihren Einsatzbereich bezogen bedeutet das, Patienten, die aufgrund ihrer abnehmenden Kräfte nicht mehr selbst den Arzt aufsuchen können, bestmöglich zu Hause zu betreuen und sich bei diesen Besuchen mit einem Klinikarzt in einem regelmäßigen Turnus abzuwechseln. Denn auch sie weiß: Die meisten Patienten wünschen sich einen Verbleib in den eigenen vier Wänden, wenn sich der Allgemeinzustand zusehends verschlechtert, es zu einer intensiven Pflegesituation kommt und das Endstadium einer tödlichen Erkrankung erreicht ist. Hier bleiben diese Patienten dann in ihrem gewohnten Umfeld mit dem für sie ebenso wichtigen sozialen Gefüge, das bei der Bewältigung der anstehenden Herausforderung eine große Unterstützung sein und den Sterbeprozess erleichtern kann.
Den Betroffenen möglichst viel von ihren Ängsten nehmen
"Die SAPV macht es möglich, dass Menschen mit einer unheilbaren und fortgeschrittenen Erkrankung durch eine die Leiden lindernde medizinische und pflegerische Behandlung in der häuslichen Geborgenheit begleitet werden können. Das ist vielen Menschen ein ganz dringendes Anliegen, bei dessen Umsetzung wir ihnen mit all unserem Know-how zur Seite stehen", erklärt Palliativfachkraft Müller. "Dadurch kann außerdem bei möglichen Krisensituationen, in die Sterbende früher oder später immer geraten, eine unerwünschte Einweisung in die Klinik vermieden werden. Denn das SAPV-Team ist dafür da, bis zum Schluss eine ganz individuelle palliative Betreuung des Patienten zu Hause zu gewährleisten."
Leben bis zuletzt und dabei möglichst viel Normalität herstellen – das will die 36-Jährige für jede Patientin und jeden Patienten erreichen. "Menschen in dieser Ausnahmesituation sind oft für Ablenkung empfänglich, nehmen Anregungen dankbar auf und tun auch in der letzten Lebensphase – selbst mit körperlicher Einschränkung – noch immer gerne das, was bislang ihr Leben ausgemacht hat."
Kerstin Sauter-Krause: Niemand muss in Not sterben
Dafür finde im Vorfeld ein persönliches Beratungsgespräch für die Ermittlung der persönlichen Bedürfnisse des Kranken und zur kompletten Organisation der häuslichen Pflege statt, zu der vor allem eine umfassende Schmerztherapie gehört – wie auch die Linderung von Atemnot, Übelkeit, Erbrechen, Blutungen oder die Entlastung und Unterstützung der Angehörigen. Auch die Vermittlung weiterer Ansprechpartner – zum Beispiel eines Seelsorgers – kann dabei besprochen werden. Und ist die Betreuung erst einmal angelaufen, geht es schließlich bei der SAPV um permanente Symptomkontrolle, aber immer auch um Aufklärung, damit den Betroffenen möglichst viel von ihren Ängsten genommen wird.
"Sterben gehört für uns zum Leben", sagt Kerstin Sauter-Krause. Da ist es wieder – dieses Mantra. Und: "Niemand muss in Not sterben", ergänzt sie. "Wir begleiten Sterbende und deren Angehörige auf ihrem letzten Weg und helfen beiden Seiten mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln in dieser schmerzlichen Phase des Abschiednehmens vom Leben. Das ist unser Auftrag und Selbstverständnis. Dafür sind wir da."
Bildergalerie: Hospize: Mehr als nur Endstation und Sterbeort