Wie die Kirche in der Diaspora lebt

In der nördlichsten Pfarrei der Welt

Die Kirche in der Diaspora unterstützen: Das ist das Ziel des Bonifatiuswerks. Dessen Generalsekretär hat gerade die nördlichste Pfarrei der Welt besucht. Im Interview berichtet er von einer armen, aber wachsenden und internationalen Kirche.

Katholiken sind beispielsweise in Norwegen nur eine Minderheit / © mikolajn (shutterstock)
Katholiken sind beispielsweise in Norwegen nur eine Minderheit / © mikolajn ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Wo sind Sie genau? 

Monsignore Georg Austen (Generalsekretär des Bonifatiuswerks): Ich bin in Hammerfest ungefähr drei Stunden Autofahrt vom Nordkap entfernt und schaue bei strahlendem Wetter auf den Nordatlantik. 

DOMRADIO.DE: Die Stadt und die Kirche dort haben eine besondere Geschichte. Welche? 

Austen: Hier oben in dieser Pfarrei in Alta, so heißt die Stadt in der Prälatur Tromsö, hat die Nordpol-Mission begonnen. In dieser nördlichsten Pfarrei der Welt kann man sehen, wie die Kirche in der Diaspora lebt. Es ist sehr schön, hier eine Weltkirche zu erleben – 70 Nationen gehören zur Pfarrei, die ungefähr anderthalb Mal so groß wie die Schweiz ist und etwa 1.400 Katholiken hat. In ganz Tromsö in der Prälatur – halb mal so groß wie Deutschland – leben etwa 7.500 Katholiken, das sind ungefähr zwei Prozent der Bevölkerung. Sehr international und jung, aber eben eine materiell arme Kirche in einem reichen Land. 

DOMRADIO.DE: Sie haben es angesprochen. 1855 war diese Nordpol-Mission, eine apostolische Präfektur, die sich um den Glauben nördlich des Polarkreises gekümmert hat. Und dann gab es damals schon die Pfarrei Sankt Michael, die da "abgepfarrt" wurde. Was bedeutet das denn? 

Austen: Das sollte eine eigene Kapellengemeinde werden und man hat eben damals gemerkt, das hat nicht so richtig funktioniert. Und jetzt ist eben an verschiedenen Orten, wo große Entfernungen noch eine Rolle spielen, eine neue Kirche in Alta gebaut worden. Es ist sozusagen eine eigene Kapellengemeinde innerhalb dieser Pfarrei Hammerfest genauso wie Kirkenes an der russischen Grenze.

Heute leben etwa 400 Katholiken in Alta. Ich habe die Kirche besucht, die wir auch dank der Spender und Spenderinnen vom Bonifatiuswerk unterstützen können. Die haben sich dort sehr gefreut. Die Kirche ist vor zwei Jahren eingeweiht worden - sie ist sehr schön. Insgesamt hier in der Prälatur Trondheim gibt es 11 Priester, wovon kein einziger gebürtig aus Norwegen stammt. 

DOMRADIO.DE: Sie sind seit Dienstag bereits in Norwegen, haben unter anderem das Karmelkloster der Elizabethschwestern im Tromsö besucht und auch den Bischof dort getroffen. Was haben die Ihnen erzählt? 

Austen: Zum einen habe ich das Karmelkloster "Totus Tuus" und dann die Elisabethgemeinschaft, das ist eine andere Ordensgemeinschaft, besucht. Es ist ein Kloster des Gebetes, wo viele Menschen – jetzt gerade auch durch die Pandemie – hinkommen. Es sind natürlich sehr wenig Menschen – etwa auf einem Quadratkilometer leben hier anderthalb Personen. Aber es sind ganz wichtige Orte hier in der Diaspora, wo die katholischen Christinnen und Christen in einer Minderheiten-Situation leben. Es ist ein Ort des Gebetes, wo auch viele Christen und Christinnen der lutherischen Kirche, die etwa 90 Prozent der Bevölkerung ausmachen, in guter Verbundenheit hinkommen.

Sie haben berichtet von dem, wie die katholische Kirche hier in kleinem Rahmen wächst – vor allen Dingen als Migrantenkirche, als Flüchtlingskirche. Das macht die Kirche aus. Sie haben aber auch von den Schwierigkeiten erzählt, die man eben hat, diese Dinge hier unterstützen zu können, da es kein Kirchen-Steuersystem wie in Deutschland gibt. Durch eine staatliche Unterstützung gibt es etwas Hilfe. Aber vor allen Dingen gibt es eine große Dankbarkeit gegenüber den Spendern und Spenderinnen in Deutschland.

Das Sprachproblem ist ein großes Problem, auch die großen Entfernungen. Ich bin beispielsweise gestern mit zu einem Gottesdienst gefahren Richtung Nordkap. Wir sind über zwei Stunden dorthin gefahren. Es ist eine kleine Gemeinde, in der über 50 Prozent aus Polen kommen. Das nächste ist die Nation der Philippinen. Es ist sehr schön zu erleben, dass man dort zusammenwächst. Aber die Sprache ist ein Problem, das sie miteinander verbindet. 

DOMRADIO.DE: Es ist ja keine Urlaubsreise, Sie sind in der Funktion des Generalsekretärs des Bonifatiuswerks vor Ort. Was nehmen Sie bereits mit – an Aufträgen und an Inspiration für die Arbeit des Bonifatiuswerks?

Austen: Ja, wir können das nur partnerschaftlich mit unterstützen. Aber wie gesagt, ein großes Problem sind die Entfernungen. Ein zweites Problem ist vor allen Dingen auch, wie können die in der Seelsorge Tätigen - und das sind hauptsächlich Priester, 11 Priester, die aus den verschiedenen Nationen kommen, hauptsächlich aus Polen - Unterstützung bekommen, auch pastoral tätig zu werden? 

Und wie kann dieses weltkirchliche Gesicht eine Kontur bekommen. Und wie können die karitativen Aufgaben, die gerade nötig sind – bedingt durch die Pandemie, aber auch durch die Migration – umgesetzt werden? Wie können die vielen Menschen, die hier eine Heimat suchen, gerade in der Kirche mit aufgenommen werden? Und wie kann man bestimmte Orte hier stärken – ob das Klöster sind, ob es Kirchen sind, ob das Gemeinden sind?

Das ist eine Herausforderung, die sich gerade stellt in einer Minderheit, einer wachsenen und internationalen Kirche, die materiell auch mehr und mehr versucht, auf eigene Füße zu kommen.

Das Interview führte Martin Mölder.


Georg Austen, Generalsekretär des Bonifatiuswerkes der deutschen Katholiken (Bonifatiuswerk)
Georg Austen, Generalsekretär des Bonifatiuswerkes der deutschen Katholiken / ( Bonifatiuswerk )

Rote Häuser in Alta, Norwegen (shutterstock)

Stadt Tromso in Nordnorwegen  (shutterstock)
Quelle:
DR
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