Kirchenzeitung des Erzbistums Köln: Professor Dr. Menke, Sie haben gemeinsam mit Professor Dr. Markus Graulich SDB (Rom) eine Festschrift aus Anlass des 65. Geburtstages von Kardinal Rainer Maria Woelki herausgegeben. Wollten Sie mit dieser Festgabe der Kritik entgegentreten, mit der der Kölner Erzbischof zu kämpfen hat?
Prof. Dr. Karl-Heinz Menke (Mitherausgeber der Festschrift und emeritierter Professor für Dogmatik und theologische Propädeutik an der Uni Bonn): Nein. Die Festschrift wurde von mir schon 2019 geplant – also zu einer Zeit, die den polarisierenden Debatten der vergangenen Monate weit vorausliegt. Allerdings haben die Herausgeber sich mit ihrem im April abgefassten Vorwort eindeutig positioniert.
Der Erzbischof von Köln wäre seine Kritiker mit einem Schlag los, wenn er in Sachen "Synodaler Weg", Frauenpriestertum oder Segnung außerehelich zusammenlebender Paare eine ähnliche Position wie die Bischöfe von Limburg und Osnabrück vertreten würde.
Es ist ein Skandal, dass man Kardinal Woelki eine Visitation ins Haus schickt, während die deutschen Bischöfe unbehelligt bleiben, die den Missbrauchsskandal nicht annähernd so konsequent wie er aufklären und stattdessen römische Verlautbarungen regelmäßig infrage stellen.
Kirchenzeitung: Die Kardinal Woelki gewidmete Festschrift trägt den Titel "Fides incarnata". Ist dieser Titel mehr als eine äußere Klammer der einzelnen Beiträge?
Menke: Die vorliegende Festgabe ist kein Sammelsurium von Aufsätzen unterschiedlichster Themen. Im Gegenteil: Ihr angehängt ist das jüngste Dokument der Internationalen Theologischen Kommission zu dem Verhältnis von Glaubensvollzug und Glaubensinhalt, von Glaube und Sakrament beziehungsweise Kirche.
Es widmet sich einem Problem, das zwei Gesichter hat: auf der einen Seite das Phänomen eines desinkarnierten Christentums reiner Innerlichkeit, auf der anderen das Phänomen des sogenannten Sakramentalismus, einer auf Formeln, Riten und Äußerlichkeiten reduzierten Religiosität ohne persönlichen Glauben.
Kardinal Woelkis Verlautbarungen zum Zukunftsweg der Erzdiözese Köln lassen ein waches Gespür für diese doppelte Herausforderung erkennen. Wie ein roter Faden zieht sich durch seine Vorträge und Predigten die Überzeugung, dass christlicher Glaube die Bewegung der Inkarnation vom Abstrakten ins Konkrete, von der privaten Überzeugung in das kirchliche Bekenntnis und von der Orthodoxie in die Orthopraxie gehen muss. Deshalb der Titel der Festschrift: "Fides incarnata".
Kirchenzeitung: Nach welchen Kriterien wurden die Autoren der Festgabe ausgewählt?
Menke: Die Auswahl der Autoren ist primär nach dem Kriterium eines möglichen Beitrags zum eben genannten Thema erfolgt – dies allerdings stets auch unter der Voraussetzung, dass die angeschriebenen Autoren die Person und das Lebenswerk des Jubilars schätzen. Denn eine Festschrift ist immer auch Glückwunsch und Dank.
Kirchenzeitung: Da Festschriften in der Regel keine hohe Auflage erzielen, stellt sich die Frage nach der Finanzierung. Hat die Erzdiözese das von Ihnen und Professor Graulich betreute Projekt finanziert oder mitfinanziert?
Menke: Nein. Kein Euro aus Diözesanmitteln ist in diese Festschrift geflossen. Ihre Finanzierung ist eine rein private.
Kirchenzeitung: Können Sie uns einen Überblick über die Beiträger geben?
Menke: Zu den Autoren gehören Kardinäle, Bischöfe, sehr viele Professoren aus den Be[1]reichen der biblischen, historischen, systematischen und praktischen Theologie, aber auch einzelne Philosophen, Juristen und Journalisten, die in ihren Beiträgen exemplarisch die aktuelle Relevanz des besagten Themas erklären.
Kirchenzeitung: Gibt es Beiträge, die aus Ihrer Sicht besonders lesenswert sind?
Menke: Ohne damit irgendeine Abwertung anderer Beiträge zu verbinden, möchte ich vier Abhandlungen nennen, von denen ich persönlich besonders viel gelernt habe. Es handelt sich um die Aufsätze von Kardinal Kurt Koch, Professorin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz, Professor Markus Lersch und Bischof Stefan Oster.
Kardinal Koch erklärt die dem christlichen Glauben wesentlich eingeschriebene Sakramentalität im Blick auf die Eucharistie. Professor Lersch widmet sich der ökumenischen Dimension und Brisanz der Verhältnisbestimmung von Glaube und Sakrament.
Bischof Professor Dr. Stefan Oster fragt, warum besonders das Sakrament der Ehe Anlass zu der Annahme ist, es werde oft ohne entsprechenden Glauben und Willen empfangen. Und die kürzlich mit dem Josef-Pieper-Preis und dem Kardinal-Bea-Preis ausgezeichnete Philosophin Gerl-Falkovitz erklärt erstaunliche Konvergenzen zwischen einer vorurteilsfreien Phänomenologie der ehelichen Liebe und der entsprechenden Lehre der Kirche.
Kirchenzeitung: Kardinal Woelki hat die Trägerschaft der vormaligen Theologischen Hochschule Sankt Augustin übernommen und diese Einrichtung unter dem Namen "Kölner Hochschule für Katholische Theologie" nach Köln verlegt. Ist die Festschrift auch eine Anerkennung seiner Bemühungen um eine Theologenausbildung, die wissenschaftliche und didaktische Qualität mit strikter Treue zum Lehramt der Kirche verbindet?
Menke: Ja, das kann man durchaus so formulieren. Als Vorsitzender der entsprechenden Kommission der Deutschen Bischofskonferenz weiß Kardinal Woelki, dass die Ausbildung von Priestern und Religionslehrern neu geordnet werden muss – nicht nur im Blick auf das groteske Missverhältnis zwischen der Zahl der Theologiestudenten und der Zahl der Lehrstühle, sondern vor allem auch im Hinblick auf die Inhalte und die Effizienz des Theologiestudiums.
Die Kölner Hochschule wagt eine Alternative zu der Ausbildung in staatlicher Trägerschaft. Das Projekt ist noch nicht in trockenen Tüchern. Aber vielleicht wird man schon in wenigen Jahren erkennen, dass die Zukunft in Köln früher als anderswo begonnen hat.
Das Interview führte Bernhard Raspels von der Kölner Kirchenzeitung.