Fakten zur Debatte um Bluttests für Schwangere

Ab kommendem Jahr Kassenleistung

Der Gemeinsame Bundesausschusses von Ärzten, Kliniken und Kassen hat die Patienteninformation für nicht-invasive pränatale Bluttests gebilligt. Damit könnten die Tests ab kommendem Frühjahr zu einer Kassenleistung werden. Einige Fakten.

Autor/in:
Christoph Arens
Symbolbild Bluttest / © Science Photo (shutterstock)

Wie ist die Schwangerschaftsvorsorge bislang geregelt?

Bisher können Frauen - bei unauffälliger Schwangerschaft auf eigene Kosten - ein Ersttrimesterscreening (ETS) zwischen der 11. und 14. Schwangerschaftswoche machen lassen. Dazu gehören eine Ultraschalluntersuchung der Nackenfalte sowie bei Bedarf Blutwerte zu einem bestimmten Hormon und Protein. Mit diesen Werten wird ein Trisomie-Risiko des Ungeborenen errechnet. Ist dieses erhöht, kann eine invasive Diagnostik - also eine Punktion der Fruchtblase oder der Planzenta - kostenfrei in Anspruch genommen werden. Das Screening erzeugt nicht selten Fehlalarme und erkennt zugleich einige positive Fälle nicht.

Wie hoch ist das Risiko einer Trisomie 21?

Trisomie 21 tritt bei ungefähr 24 von 10.000 Schwangerschaften auf. Das Risiko für Trisomien steigt mit dem Alter der Schwangeren, weshalb weiterhin Schwangerschaften ab dem 35. Lebensjahr als Risikoschwangerschaften gelten. In Deutschland leben etwa 30.000 bis 50.000 Menschen mit Down-Syndrom.

Wie funktioniert der nicht-invasive Pränataltest?

Der seit 2012 in Deutschland angebotene vorgeburtliche Test ermöglicht es Ärzten, einer Schwangeren anhand von wenigen Tropfen ihres Bluts zu sagen, ob ihr Kind eine Trisomie 13, 18 oder 21 haben wird. Dabei werden Erbgut-Fragmente des Kindes aus dem mütterlichen Blut isoliert und untersucht. Der Test kann bereits ab der zehnten Schwangerschaftswoche durchgeführt werden; da der Anteil der kindlichen Erbgutschnipsel im mütterlichen Blut aber mit der Zeit ansteigt, sind spätere Untersuchungen präziser. Der Bluttest ist genauer als die bisher üblichen Verfahren; es gibt auch weniger fälschlicherweise als positiv klassifizierte Fälle.

Wo wird der Test angeboten?

Bislang müssen Eltern, die den Bluttest durchführen lassen, mit wenigen Ausnahmefällen die Behandlung aus eigener Tasche bezahlen. Er wurde anfangs nur an wenigen Pränatalzentren für 1.200 Euro angeboten; inzwischen betragen die Kosten zwischen 129 und 428 Euro. Auch einige private Kassen finanzieren den Test.

Wie geht es weiter?

Dass die vorgeburtlichen Tests auf Down-Syndrom und weitere Trisomien Kassenleistung werden, wurde grundsätzlich bereits im September 2019 beschlossen und vom Ministerium abgesegnet. Allerdings soll der Test nur in begründeten Einzelfällen bei Risikoschwangerschaften und nach ärztlicher Beratung von den Kassen finanziert werden. Der Beschluss zur Anwendung tritt aber erst in Kraft, wenn auch die Versicherteninformationen beschlossen und geprüft sind. Das ist seit Donnerstag der Fall. Jetzt hat das Bundesgesundheitsministerium zwei Monate Zeit zu einer weiteren Prüfung, bevor eine Veröffentlichung im Bundesanzeiger möglich ist.

Wie argumentieren die Befürworter der Bluttests?

Sie verweisen darauf, dass die Bluttests eine risikoarme Alternative zu bestehenden Verfahren wie etwa der Fruchtwasseruntersuchung seien, die immer mit einem Fehlgeburtsrisiko behaftet sind. Befürworter der Bluttests erklären, es wäre Doppelmoral, die riskantere Fruchtwasseruntersuchung als Kassenleistung zu akzeptieren, aber auf ein weniger riskantes und weniger belastendes Verfahren zu verzichten.

Was sagen die Gegner?

Behindertenorganisationen, aber auch die katholische Kirche fürchten, dass die pränatalen Bluttests nach der Kassenanerkennung zu einer üblichen Reihenuntersuchung werden. Für Schwangere könnte dadurch vermehrt Druck entstehen; Schwangerschaften würden mehr und mehr als Risiko erlebt.

Wie verhalten sich die Kirchen zu dem Thema?

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat sich für eine Kassenzulassung ausgesprochen, fordert allerdings das Angebot einer ethischen Beratung. Die katholische Kirche hat eine Kassenzulassung der Tests entschieden abgelehnt. Sie warnt, eine Ausweitung der Tests führe zu einer zunehmenden Diskriminierung von Menschen mit Behinderung und meist zum Abbruch einer solchen Schwangerschaft.

Wie hat der Gemeinsame Bundesausschuss seine Zustimmung begründet?

Sein Vorsitzender Josef Hecken hat betont, das Gremium habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht. Es gehöre aber zur Realität, dass "dieser Bluttest seit 2012 zugelassen ist, bisher auf eigene Kosten genutzt wurde und gegenüber den seit den 70er Jahren zum Leistungskatalog der Krankenkassen gehörenden invasiven Untersuchungen keine Fehlgeburten auslösen kann". Hecken verwies zudem darauf, dass sich der Bundestag im April 2019 in einer eigenen Debatte mit dem Thema auseinandergesetzt habe. Dem seien aber keine weiteren gesetzgeberischen Initiativen zu Bluttests gefolgt.

Wie geht es mit den Bluttests weiter?

Experten verweisen darauf, dass immer neue vorgeburtliche Bluttests entwickelt werden, so dass Gesundheit und Eigenschaften des Embryos immer genauer untersucht werden können. Kritiker sehen damit einen Trend zum "Designer-Baby". So kam im Herbst 2019 der erste Bluttest auf den deutschen Markt, der Krankheiten wie Mukoviszidose, spinale Muskelatrophie, die Sichelzellkrankheit und die ·- und ·-Thalassämien beim Embryo in einem frühen Stadium der Krankheit erkennt.


Quelle:
KNA
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