"Demenzsensible" Krankenhäuser sind noch die Ausnahme

"Rooming-in" und Wohnzimmeratmosphäre

Demente Menschen fühlen sich in einem Krankenhaus ohne Angehörige oft verloren. In Großbritannien setzt sich die "John';s Campaign" dafür ein, dass vertraute Menschen verwirrte Patienten dorthin begleiten dürfen. Und in Deutschland?

Autor/in:
Angelika Prauß
Ein junger Mann FSJ hilft einer Frau mit Demenz / © Friso Gentsch (dpa)
Ein junger Mann FSJ hilft einer Frau mit Demenz / © Friso Gentsch ( dpa )

Im Alter müssen immer mehr Menschen in einem Krankenhaus behandelt werden. Zugleich leiden die betagten Patienten zunehmend unter demenziellen Veränderungen - auf die Akutkliniken in Deutschland nicht eingestellt sind. Eine Herausforderung für Angehörige, Pflegekräfte und Mediziner. Denn Stationen, die gezielt Demenzkranke mit Akutbeschwerden aufnehmen, sind die Ausnahme.

Täglich werden rund 50.000 Patienten mit der Nebendiagnose Demenz in deutschen Krankenhäusern behandelt, rechnet die gemeinnützige Robert-Bosch-Stiftung vor. Kaum ein Krankenhaus sei aber bislang auf die Bedürfnisse dieser Patientengruppe vorbereitet.

Demenz und Krankenhaus funktioniert nicht immer gut

"Ein Krankenhaus ist kein guter Ort für Menschen mit Demenz", sagt Susanna Saxl von der Deutschen Alzheimer Gesellschaft. Der Klinikalltag sei meist so angelegt, dass sich die Patienten an den Krankenhausrhythmus und die dort vorhandenen Strukturen anpassen müssten. Alleine vor dem Untersuchungsraum zu warten oder das Mittagessen auf einem ungewohnten Tablett irritiere altersverwirrte Menschen.

"Es kommt vor, dass Menschen weglaufen oder durch die ungewohnte Umgebung noch verwirrter werden, als sie ohnehin schon sind." Zudem werde Demenz von Pflegekräften oft nicht erkannt. Patienten würden dann als "schwierig" eingestuft und mitunter mit sedierenden Medikamenten ruhiggestellt, die wiederum eine negative Wirkung auf die Demenz hätten. Immerhin verfügten inzwischen einige Krankenhäuser über Demenzbeauftragte.

Grundsätzlich gebe es - analog zu England - inzwischen auch die Möglichkeit des "Rooming-in", sagt Saxl. Gegen einen geringen Aufpreis können vertraute Angehörige dann während des Klinikaufenthaltes bei dem dementen Patienten bleiben, was diesem Sicherheit vermittelt. Dieses Angebot sei aber nicht die Regel, und manche Krankenhausverwaltung erschwere diese "wünschenswerte" Begleitung durch Angehörige.

"Rooming in" und Wohnzimmer-Atmosphäre

Ein Vorreiter in Sachen "Rooming in" ist das Krankenhaus Lübbecke-Rahden. Dort können sich pflegende Angehörige kostenlos mit dem dementen Patienten in einem Zweibett-Zimmer aufnehmen lassen. Das Projekt wird mit der Robert-Bosch-Stiftung und dem Deutschen Institut für angewandte Pflegeforschung wissenschaftlich begleitet und weckt inzwischen auch über Deutschland hinaus großes Interesse.

Auch die Malteser haben inzwischen Akutpatienten mit der Nebendiagnose Demenz verstärkt im Blick. Im Flensburger St. Franziskus-Hospital haben sie ein demenzsensibles Konzept entwickelt. In einer speziell für diese Patientengruppe eingerichteten "Silvia"-Station - mit freundlicher Beleuchtung und Wohnzimmeratmosphäre - stehen dort seit 2015 neun Betten bereit. Alle Mitarbeiter sind nach dem Konzept Silviahemmet ("Silviaheimat") geschult, das nach Schwedens Königin Silvia benannt ist.

Ein Krankenhaus für Demenzpatienten

Noch weiter geht das Malteser-Krankenhaus St. Carolus in Görlitz: Ende 2020 wurde es als deutschlandweit erstes Krankenhaus überhaupt von Königin Silvia persönlich zertifiziert. Mit 120 Betten sei es ein relativ kleines Krankenhaus, erklärt dessen Sprecherin Stephanie Hänsch. Jeder der rund 250 Mitarbeitenden - von der Küche, Technik, Reinigung, Verwaltung bis Pflege und Ärzte - sei umfassend geschult, "das ganze Haus ist baulich und strukturell auf demente Menschen eingestellt".

Eine Entwicklung, die die Deutsche Alzheimer Gesellschaft freut. Trotz großer Defizite gebe es allmählich ein Umdenken, beobachtet Saxl. Wichtig sei es, Beschäftigte in Akutkrankenhäusern für das Thema Demenz zu schulen und zu sensibilisieren. Um Demenzerkrankten den Krankenhausaufenthalt möglichst stressfrei zu gestalten, hat die Robert-Bosch-Stiftung 2019 deshalb einen 224 Seiten umfassenden Praxisleitfaden veröffentlicht. Er zeigt am Beispiel von 17 Projekten, wie Krankenhäuser demenzfreundliche Strukturen aufbauen können - auch durch Anpassungen in Architektur und Ausstattung, patientenfreundliche Behandlungsprozesse und die Einbindung von Angehörigen.

Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft hat außerdem eine Broschüre für den Krankenhausaufenthalt sowie einen Informationsbogen für die Aufnahme dementer Patienten ins Krankenhaus entwickelt, auf dem Angehörige unter anderem besondere Vorlieben und Abneigungen notieren können. Auch solche Bögen gebe es "längst noch nicht flächendeckend" in Kliniken, bedauert Saxl. Sie wünscht sich zudem eine Übersicht demenzsensibler Stationen und Krankenhäuser für Angehörige. Diese sollten sich schon im Vorfeld an die regional zuständige Alzheimer Gesellschaft wenden können, um im Notfall ein passendes Krankenhaus zu kennen. "Und auch ein Pflegestützpunkt vor Ort sollte das wissen."

 

Quelle:
KNA